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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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durchs Hallesche Thor einwandert. Aus dem Voigtlande! Ja, wenn seine Meisterin nicht ein Auge auf ihn geworfen! Und wie hatte er es ihr vergolten! – Alls dem Voigtlande musste er herkommen, um Andern das Verdienst wegzuschnappen, und dann will er er noch Polizei spielen über Berliner Stadtkinder! Himmelschreiende Anmaßung!
    Der honette, propre, adrette, immer baar zahlende Herr Hoflackirer wäre gewiß noch schlimmer mitgenommen worden, hätte nicht die Polizei jetzt wirklich mit vielem Geräusch versucht, die Gruppirung auseinander zu treiben. Sie jagte sich mit den Gassenjungen. Die anständigen Leute ersuchte sie auseinander zu gehen, denn je weniger jetzt zu sehen war, um so mehr drängten sich, um noch zu sehen, was Andere vor ihnen gesehen hatten. Die ursprünglichen Tumultuanten waren langst entwischt, und die ehrbare Familie des weiland Hufschmied, jetzigen Knopfhändlers, schon auf dem Wege nach dem Hofjäger, wo sie, nach einigen Nachrichten, die wir aber nicht verbürgen wollen, sich mit der des Hoflackirers verständigte, indem sie herausfanden, daß es nichts als ein Mißverständniß gewesen, was sie an einander gebracht.
    Unter den ehrbaren Bürgern war sehr ernsthafter Disput über den Vorfall. Um so besseres Streiten, als kaum Einer von denen, die stritten, noch mit Augen gesehen, um was es sich stritt. In einem Punkt nur waren Alle einig: Warum war die Polizei nicht früher gekommen? »War denn die Polizei überhaupt nöthig?« sagte der Begleiter einer ältlichen Dame, der etwas Fremdartiges an sich hatte. Er war aus Amerika nach einem langen Aufenthalt daselbst in seine Vaterstadt zurückgekehrt. Man sah ihn verwundert an. »Haben Sie denn da keine Polizei?« – »Wo man sie braucht. Was sich von selbst schlichtet, dazu ruft man sie nicht.« – Die ehrbaren Männer schüttelten den Kopf: Es war ja ein Skandal! – »Doch nur für die, welche sich um solche Bagatellenstritten.« Aber es ward ein Auflauf: es hätte noch schlimmer werden können. Einer musste doch beispringen. »Hätten die Nachbarn und ehrbare Bürger sich nicht selbst helfen können, wenn es ihnen zu arg ward?« Man verstand ihn nicht. Das wäre noch hübscher, ehrbare Bürger um so was zu inkommodiren! Die meisten Nachbarn meinten, es liege an der Unvollkommenheit der Gesetze, man solle andere machen; nur waren sie verschiedener Ansicht über das wie? Den Straßenjungen sollte verboten werden, auf der Straße zu schreien, verlangte der Herr Tabakskrämer drüben. Der Schullehrer meinte: den Frauenzimmern müsse untersagt sein, in einem Putz auf der Straße zu erscheinen, der über ihren Stand ginge, denn daher komme doch die ganze Geschichte. Ein Dritter: man solle nicht Jedem erlauben, auf der Straße zu plumpen, denn das sei der eigentliche Quell. Man kam zu keiner Einigung.
    Als die Leute erfahren, der Mann sei ein Amerikaner, erregte er den Respekt, welchen in Berlin Alles beansprucht, was weither ist. Mehrere der ehrbaren Leute, die zugleich auch wißbegierig waren, umringten ihn mit bescheidenen Fragen über amerikanische Einrichtungen. Einer, der ihm aufmerksam und beistimmend zugehört, sagte: »In alledem, mein geehrter Herr, mögen Sie Recht haben, aber ich frage Sie, wenn Sie keine Schilderhäuser und Schildwachen in Amerika haben und keine Polizeikommissare und Sergeanten, wer reißt denn den Handwerksburschen die Pfeifen aus dem Mund?« – »Niemand.« – »Ja, mein Gott, wie kann denn aber da Ordnung in Amerika sein!«
    Die guten Bürger schüttelten den Kopf. Die ältliche Dame, welche sich von dem Amerikaner führen ließ, und zu ihm in dem Verhältniß einer Verwandten oder Bekannten stehen mochte, die, einst seine mütterliche Lehrerin, die langen Jahre vergisst, welche den Knaben zum Mann erhoben, sagte mit der Feierlichkeit überlegenen Wissens und doch mit dem gutmüthigen Lächeln einer mütterlichen Freundin, die Verirrungen sanft aufnimmt, weil wir Alle irren: »Du wirst überall Ungläubige treffen, mein lieber Friedrich, wenn Du von den Vorzügen Deiner neuen Welt da drüben sprichst. Und Dir selbst wird, wenn Du Dich nur wieder zurecht findest, auch das Auge aufgehen, daß in keinem Staate so väterlich für das Wohl der Bürger gesorgt ist, als in dem unseren. Nur in dem Einen hast Du Recht, da ist es besser bei Euch, daß sie die Kirchen heizen! – Ja, ich habe es immer gesagt, wenn die Obrigkeit dafür bei uns sorgte, was hätten die Leute dann noch zu klagen! – Nun, wer weiß, wenn ich die

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