Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
Vom Netzwerk:
es so wenig, als die kranke es gehindert hatte. Sie wusste es, sie hat sehr viel gewusst, ehe sie starb, und mich darum nicht minder geliebt. Eine Närrin, Molly eine abscheuliche Thörin warst Du, Du hättest noch lange glücklich sein können, wer weiß wie lange! Denn Du hattest die Kunst, Dich zu konserviren, Du wärst witzig geblieben und hättest meinen Geist aufgefrischt – ich hätte es Dir wirklich nachgesehen. Aber Du bekamst Gewissensbisse – Thorheit, es war zu spät, meine liebe Molly; es war auch nur die Angst, daß es Dir wie Angelika erginge. Das wollte ich Dir verzeihen, liebes Mädchen, aber so dumm zu sein, daß Du es nicht bei Dir behieltest, daß Du es mir in einer schwachen Stunde vertrautest! Das war die größte Sünde, die der Mensch begeht, die Sünde gegen sich selbst, und Du musst gestehen, das verdiente schon die Strafe. Nachher ward der kleine Schelm pfiffig. Allen meinen Küssen, Seufzern widerstandest Du, Du wolltest kein Testament machen. Ich verdenke es Dir nicht. Es verlängerte Dein Leben, und mich zwang es zur Verschwendung. Musste ich nicht meine ganze Liebenswürdigkeit auf Dich ausschütten, musste ich nicht allen zarten Saiten meines Daseins süße Töne entlocken, um Dich nur zum Schweigen zu bewegen? Mein Kind, das hat mich viel Anstrengung gekostet, denn Du warst mir sehr gleichgültig geworden, und mir entging darum eine schöne Irländerin, auf die ich mein Aug' geworfen. Nachher schwiegst Du nicht – Du schriebst einen Brief – Du schriebst Dir selbst Dein Urtheil – darüber kannst Du nicht klagen. Aber ich –«
    Er verzog das Gesicht und ballte die Faust gegen das Bild: »Der Brief – den ich fand, ist zu Aschenstäubchen aufgelodert, aber es stand darin von einem andern Briefe, der meiner Wachsamkeit entschlüpft war – Molly! Molly! –« Sein Gesicht bekam einen furchtbar hässlichen Ausdruck; die Zähne fletschten zwischen den zurückgekniffenen Lippen wie die Hauer eines Ebers, die Augen sprühten das grünliche Feuer einer wilden Katze. Aber der Parorysmus der Wuth und Angst war schnell vorüber, die aschgraue Urnenruhe lagerte sich wieder auf dem gelben Gesichte, die Finger entklammerten sich. – »Possen! In einem Dutzend Jahren und nicht zum Vorschein gekommen! Feuer – Regengüsse – Feuchtigkeit – Staub und dünnes Briefpapier! – Lacht Ihr, daß ich mich zuweilen ängstigen kann! –
Mes dames!
was wollen Sie? Ich beweise Ihnen ja das vollste Vertrauen – Ja, Sie sehen Alles. Sie brauchen jetzt durch kein Schlüsselloch zu observiren, ich verhänge nicht einmal Ihr Gesicht. Was verlangen Sie mehr? Einige Galanterie? –
Mes dames de Bruckerode, je vous assure, que
tout ce que vous voyez n'est que moutarde après dîner, rien qu'un dessert maigre après un repas délicieux.
– Wirklich, Angelika – das waren andere Zeiten, andere Genüsse, voller Empfindung, Sympathieen, Leidenschaften. Was ist es jetzt? Asche! Damals glühende Kohlen! Calculatorische Geschäfte! Wo sind Deine süß schmollenden Lippen, meine Molly? So etwas giebt es nicht mehr. Deine ängstlichen Blicke, als Du die Chocolade trankst, ich musste vorher nippen, und dann, o das war Wonne! O Du meine Angelika, Du hattest nicht genippt. Fest mich anblickend, ohne Angst, Vorwurf, nur das tiefe Seelenverständniß im Auge, leertest Du die Schaale, und drücktest mit der feuchten kalten Hand meine. Du hattest mich verstanden, ich Dich.
Ils sont passés, ces jours de fête!
«
    »Schönen guten Morgen, mein lieber Herr Geheimer Legationsrath!« unterbrach eine heisere Baßstimme diese Schwärmereien des Einsamen, und vor ihm stand der Kaufmann van Asten. Es war so, – keine Erscheinung der Traumwelt. Der alte van Asten war der letzte Mann, der in ein Traumgewebe gepasst hätte. Trotz seiner schweren rindsledernen Schnallenschuhe war er unbemerkt durch die beiden Zimmer gekommen, und drückte jetzt die Thür hinter sich zu, während dem Legationsrath die Binde vom Kinn rutschte, und er, aufspringend, an der Lehne des Stuhles sich hielt. »Na, wie gehts Ihnen denn, mein lieber Herr von Wandel. Haben sich ja so lange nicht sehen lassen. Ist das Freundschaft?«
    Der Turban und die Brille waren vom Kopf des Legationsrathes verschwunden, eine Operation, die ihm Zeit ließ, seine Fassung wieder zu gewinnen. So war es; man merkte nichts von Bestürzung, kein Zittern mehr, es war das feste eiskalte Gesicht, mit den durchforschenden Augen, als der Legationsrath den Kaufmann anredete. »Wie

Weitere Kostenlose Bücher