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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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Sie das wüssten, Sie müssten aber noch mehr wissen.«
    Wandel hatte unverwandt das etwas schwer zu studirende Gesicht des Kaufmanns beobachtet, und glaubte darauf gelesen zu haben, was ihm Ruhe gab. Der Mann war innerlich bewegt. Plötzlich griff er nach seiner Hand, oder vielmehr nach dem untern Arm, es ist aber möglich, daß der treuherzige Freundesdruck auch der Wucht des Stockes galt, den er mit dem Arme schüttelte und sehr schwer fand. Mit einer Stimme, dem Widerhall eines vollen Herzens, sprach er: »Herr van Asten, Sie drückt etwas. Ich bedaure, daß es mir nicht gelungen, Ihr volles Vertrauen zu erwerben. Könnten Sie an der Brust eines Freundes Ihren Kummer ausschütten, schon das würde Sie erleichtern. Ein unbefangener Freund sieht aber oft klarer, und Auswege und Mittel, die dem selbst Bedrängten entgehen. Mein Gott, sollte der drohende Krieg – aber ich schweige –«
    Mit voller Ruhe erwiderte der Kaufmann: »Geheimes will ich Ihnen gar nichts sagen, aber was die ganze Börse erfahren hat, das können Sie auch wissen. Wir hatten für 10,000 Thaler Weine aus Bordeaux bestellt –« »Wir? – Ah, das ist das kleine Kompagnongeschäft mit Seiner Excellenz. Sie exportirten dafür Holz und Bretter von Seiner Excellenz Gütern.« – »Wissen Sie das auch? – Schadet nichts.« – »Das Schiff muß jetzt in Stettin angekommen sein.« – »Ist! – Mit Weinen, delikaten Weinen – volle Ladung zum Werth von 100,000 Thalern unter Brüdern.« – »Hundertausend! Eine volle Null zu viel.« – »Da liegt es, das Geheime, mein Herr Legationsrath. Nur eine einzige Null zu viel bei der Bestellung. Der Casus ist klar – ein Schreibfehler. Wer ihn beging ist gleichgültig. Der Zufall kann einen Artillerielteutenant auf den Kaiserthron bringen, und der Zufall ein großes Reich stürzen, warum nicht auch ein großes Handlungshaus.« – »Es beweist nur, welchen Kredit Ihre Firma in Bordeaux haben muß.« – »Es beweist, daß Einem auch der Kredit den Hals zuschnüren kann.« – »Ich begreife Ihre Lage, die Waare ist für den Augenblick nicht abzusetzen, sie übersteigt weit den momentanen Bedarf. Alles schränkt sich ein. Indeß wird jetzt Ihr Kredit sich beweisen. Ihre Freunde werden sich zeigen.« – »Haben sich schon gezeigt.« – »Sie werden Ihnen beispringen.« – »Sind schon gesprungen. Kommen lauter kleine Wechselchen zurück: Werden noch mehr kommen.« – »Excellenz der Minister –« »Pst! Excellenz sind ja kein Kaufmann, lassen mich nicht vor. Verdenk's ihnen auch nicht, sind ja nicht in die Gilde eingeschrieben. Wollten nur gelegentlich eine kleine Chance mitmachen. Alles kordial, mündlich. Setzten ein großes Vertrauen in mich, was ich sehr ästimire. Wenn wir den Profit gemacht, war's ja beim alten van Asten, ob er die Hälfte auszahlen wollte. Verklagt hätte er mich nimmer.« – »Aber er setzte den Werth seiner Hölzer auf's Spiel.« – »Wird kein Narr gewesen sein! Auf Höhe dessen hatte er sich vorher auf mein Haus in der Spandauerstraße intabuliren lassen. Jedes Kind sieht nun ein, daß ich mit Excellenz nicht die Schuld eines Schreibfehlers halbiren kann, und Excellenz haben zwar einen vortrefflichen Magen, aber die Hälfte von meinem Wein trinkt auch er nicht aus.«
    Eine Pause trat ein. Der Legationsrath blickte mit verschränkten Armen vor sich nieder: »Ihre Lage ist traurig, aber nur wer sich selbst aufgiebt, ist verloren. Die Weine unter dem Steuerverschluß, gleichviel ob hier oder in Stettin, sind ein todtes Kapital, welches das größte Haus ruiniren könnte. Wäre Ihr Medoc nicht ein Kapital, das zwei-, dreihundert Prozent eintrüge, wenn Sie es an einer Nordküste lagern hätten, wo Napoleons Kontinentalsperre schon Kraft hat? Wird die Schifffahrt geschlossen, sind Sie wieder ein Krösus.«
    »Alle Zeichen deuten, daß wir Krieg anfangen.«
    »Alle Zeichen sind trügerisch, wo kein Wille ist. Noch schwankt die Wage. Die Kabinetsräthe sehen es ein, der König möchte den Frieden erhalten, und wenn sie doch das Wort Krieg aussprechen, ist's weil sie gezwungen werden, weil sie keine Unterstützung gegen die jungen Schreier und Fanatiker finden. Mein Herr van Asten, warum treten denn nicht die Patrioten zusammen, ich meine die, welche Mittel haben, warum unterstützen sie nicht des Kabinet? Das ist noch möglich. Fragen Sie sich doch, was es gilt? Bleibt Friede, bleibt er nur durch eine Allianz mit Napoleon, es giebt nichts Drittes. Krieg mit ihm oder Anschluß.

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