Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
Im letzten Falle Beitritt zu seinem Kontinentalsystem, die Häfen sind gesperrt, und Ihr Bordeauxwein, ohne Konkurrenz, ist wenigstens dreihunderttausend Thaler werth. Nun rechnen Sie, wenn Krieg wird, wenn es nur bleibt, wie es ist! Ihr Wein ein todtes Kapital, Ihre Gläubiger lebendige Quälgeister, Ihr Haus erschüttert, vielleicht – Man schätzt Sie auf über zweihunderttausend, wenn indeß Ihre Aktiva nichts werden, Ihre Passiva – ich schweige davon. Aber in solchem äußersten Fall muß der Mann das Aeußerste wagen. Und sind Sie allein in dem Falle? Verabreden Sie sich, schießen Sie zusammen. Lucchesini, Haugwitz, Lombard, sie Alle sind ja zugänglich, die freundlichsten Männer. Sie erwarten ja nur, daß man sie unterstützt, gewichtige Stimmen aus dem Publikum. Schaffen Sie, womit man Ihnen hilft, um den Schreiern den Mund zu stopfen. – Mit hunderttausend Thalern übernehme ich's.«
Der Kaufmann verstand jetzt, aber er war sichtlich von einer Vorstellung betroffen, die ihn schwindlig machte. Das Argument des Legationsraths hatte etwas Verführerisches, die Verhältnisse waren, wie er sie schilderte, aber er erschrak zuerst vor dem Gedanken, daß ein einfacher Bürger sich unterfangen dürfe, in das Schicksal eines Staates einzugreifen, dann, daß er dies sein könne; zuletzt, wenn er die angenehme Maske von der Sache fortzog, erschrak er, denn was war die patriotische Operation –? Van Asten war ein rechtlicher Mann.
»Mein theuerster Herr!« sprach der Legationsrath wieder mit der gewohnten Ueberlegenheit des vornehmen Mannes, und auch sein Kostüm hinderte ihn nicht, die Situation, die er liebte, einzunehmen, ein Bein über das andere, den Hinterkopf mit der Lehne, die Finger der rechten Hand mit sich selbst spielend. »Mein theurer Herr, wenn wir uns doch gewöhnten, die Verhältnisse zu betrachten, wie sie sind. Was sind die Menschen in ihrer Massenhaftigkeit anders, als Heerden zweibeiniger Geschöpfe, bestimmt, von Anderen, die klüger sind, geleitet zu werden. Fragen wir uns: Wer denn überhaupt die Welt beherrscht? Einige wenige Könige, die Genies waren oder Feldherrn aus Passion; das waren seltene Ausnahmen. In der Regel waren es kluge Minister, schlaue Favoriten, noch schlauere Maitressen. Sie herrschten um so sicherer, je feiner sie es zu verstecken wussten. Oder wollen Sie nach Klassen gehen? Die Hohenpriester fingen an, dann kamen die Könige, dann militärischer Adel, dann Priester, Könige und Feudalritter im bunten Gemisch, bis die Könige wieder glaubten, das Oberwasser zu haben; da nahmen es ihnen die Philosophen. Das Schiboleth, früher Glauben geheißen, hieß nun Aufklärung. Bei allem diesem Wechsel, mein theuerster Freund, ist nur das beständig, daß die Pfiffigsten das Heft in der Hand behalten. Nun sehe ich aber nicht ab, warum die reichen Leute nicht einmal den Priestern, Rittern und Philosophen das Geschäft abnehmen, warum sie nicht auch einmal pfiffig sein und regieren wollen? Sie ahnen nicht, mein werther Herr, welche Macht in Ihren Komptoirstuben, Ihren Wechseln, in Ihren Federstrichen ruht, durch welche Sie Welttheile verbinden. Im vollen Ernst, Ihnen, den großen Kaufleuten, Fabrikanten, blüht die künftige Weltherrschaft entgegen. Wenn Sie nur sich etwas verständigen wollten, etwas mit den Ackerbau treibenden Herrschaften, etwas mit den Herren von der Feder, es braucht da nur kleine Aufmerksamkeiten und Gefälligkeiten, ein klein wenig auch mit den Ideen, welche, was man nennt, beim Volke im Schwunge sind, so prophezeie ich Ihnen, Sie, die Herren von der Industrie, werden bald die wahre, reelle, effektive Universalmonarchie in Händen haben, wie die großen Handelsherren in dem kleinen Venedig ehedem, wie im großen England und im noch größeren Amerika jetzt schon und in Zukunft noch mehr. Sie, Sie, Theuerster, fingen ja schon an. Bravo! Ihre Associèschast
en commandite
mit der Excellenz war eine großartige Idee, nur muß man sich von den vornehmen Herren nicht übers Ohr hauen lassen. Wenn Sie geschickt agiren, haben Sie den Herrn ja noch jetzt in Händen, er muß jeden Eklat vermeiden, während Sie
vis-à-vis de rien
Alles einsetzen müssen. Also, Courage, für Frieden und Ruhe Alles dran gesetzt, Frieden und Ruhe, welche die Nation und Ihr König wünschen. Also warum nicht frisch und kühn, ein Auge zugedrückt und in die Tasche gegriffen!«
Herr van Asten griff auch in die Tasche, aber nur, um seine Brieftasche vorzuholen. Er war während der langen
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