Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
Unternehmen des geliebten Landesvaters zu unterstützen und ihren warmen Patriotismus durch die That zu bewähren.
Mäntel! war das Loosungswort durch die Stadt, im Civil, während das Militär nur Krieg wollte, mit oder ohne Mäntel. Zum ersten Mal war das Publikum aufgerufen, ein großes Werk des Allgemeinwohls zu unterstützen, ja die Initiative war ihm in die Hand gegeben. Wen darf es wundern, wenn es umher brauste und schwirrte, eine Thätigkeit sich entwickelte, die sich selbst hemmte und verwirrte. Der Staat hatte bisher für Alles gesorgt, nun sollte der Bürger nicht allein für sich, auch für den Staat sorgen! Kommissionen und Ausschüsse zu bilden, wo sollte man gelernt haben, was sich jetzt von selbst macht! Der Magistrat, der es in die Hand genommen, fand dafür kein ander Mittel als eine Subskription, die von Stadtverordneten Haus für Haus umhergetragen werden sollte. Das war ein langer Weg. Aber nun fühlte sich Jeder berufen, auf seine Hand es in die Hand zu nehmen; die Nähterinnen und die Geheimräthinnen, auf den Kanzeln und in den Werkstuben, im Theater und in den Weinhäusern, auch in andern Häusern, es war überall nur ein Wort, überall wollte man helfen, noch lieber Rathschläge geben, wie man helfen könne.
In der Gesellschaft der Braunbiegler hatte die Sache noch eine andere Seite. Auf dem Conto Debet stand Patriotismus und Tuch. Was Madame Braunbiegler gezeichnet, konnte man auf ihrem strahlenden Gesichte fast in Zahlen lesen. Die Dame selbst wog mit ihrem treffenden Blicke die Gäste ab; auch sie las auf jedem Gesichte, wie viel ist der Mann werth? Wie viel hätte er zeichnen müssen? Wie viel hat er zu wenig gezeichnet? Wie viel zu viel, um sich höher zu stellen? Endlich – wie tief stehen sie alle unter dir!
Ihr zunächst musste der Baron Eitelbach stehen. War er doch ihr Kompagnon! – Aber er stand nicht, er ging, er flankirte mit seinem strahlenden Gesicht durch die Gruppen.
»
A propos, ma belle!
« rief der witzige Baron, als er seine Gattin zu Gesicht bekam, »was ist denn das für ein Kutschenfensterscheibengestoße? Denkst Du, Glas kostet kein Geld? Werde die Thüren mit Brettern vernageln lassen,
profit tout clair!
Dann sieht auch Keiner, mit wem Du drin sitzest.« – »Du weißt –« Ihre weißen Perlenzähne starrten ihn an. »Ziert sich, weil er ihr den schönen Arm küssen will, und stößt dabei die Scheibe ein.« Ihre Perlenzähne verschlossen sich, aber ihre schönen Augen wurden größer. »Mir schenkt man reinen Wein.« – Jetzt erst platzte das »Um Gotteswillen wer?« heraus. »Wer anders als der Legationsrath! Was war's denn nun, daß er zu Dir in die Kutsche sprang? Muß man sich darum so haben?« – »Der Legationsrath?« – »Ist ein gescheidter Mann und wird nicht plaudern.« – »Du kannst ihn ja aber nicht ausstehn.« – »Man kann Viele nicht ausstehn,
ma chère,
und trinkt doch mit ihnen Brüderschaft.«
In sprachlosem Erstaunen sah die Baronin ihn an. »
Ma chère,
verstehe mich. Die Sache ist ganz simpel. Wandel reitet mit Achten vorgespannt ins Herz der Braunbiegler – Wenn's zum Klappen kommt, wird sie – den Teufel – so dumm sein und einschlagen. Aber 's ist doch die Möglichkeit, wer kennt die Weiberherzen. – Und ein solcher Kompagnon ins Geschäft, na, da gratulire ich! Also –« »Was denn?« – »Um's kurz und klein zu machen, laß ich Dir von ihm die Cour machen, so viel er Lust hat, und wenn er zu Dir in den Wagen springt, schrei nicht auf.« – »Der Legationsrath!« Weiter wusste die schöne Frau nichts zu sagen, denn der Legationsrath stand vor ihnen. Es ging zur Tafel. Der Baron legte den Arm seiner Frau in den des Rathes: »Sie schmachtet nach Ihrer Unterhaltung. Sein Sie liebenswürdig, so viel Sie können, es wird Niemand eifersüchtig –« In sich lachend, setzte er hinzu: – »außer wer es soll!«
Das Opfer ging neben Dem, dem sie geopfert schien. So roh, widerwärtig, war ihr Gatte ihr nie vorgekommen. Wandel ging im würdigsten Ernst. Er sprach Gleichgültiges, unbefangen. So war er bei Tisch der liebenswürdigste Nachbar, aber sein Gespräch, seine Erzählungen waren für Alle, sie mussten Jeden interessiren. Der Baron hatte seine Absicht nicht erreicht, die Braunbiegler ward nicht eifersüchtig, die Baronin aber saß auf Kohlen.
Nachher kam ein Moment, um mit Wandel, in eine Fensternische von den Aufbrechenden zurückgedrängt, unbemerkt ein kurzes Gespräch zu pflegen. »Um Gotteswillen, was ist das?«
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