Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
Vom Netzwerk:
Schule vergiften wollen, das war keine Frage. Wir wissen nicht, ob in derselben Gesellschaft, aber am selben Abend schon erzählten Einige, daß die Lupinus die Intention gehabt, ihre Nachbarschaft, ja die ganze Jägerstraße aufzuräumen. »Und in unserer Stadt! – In dem aufgeklärten Berlin! – Man wird es auswärts nicht glauben. – Aber wir werden noch mehr hören.«
    Nachdem Madame Braunbiegler sich vom ersten Schreck erholt, war sie die aufgeregteste, wenigstens die lauteste: Wenn man sie nur gefragt, sie hätte es längst gewusst – nein, das freilich nicht, aber vorgeschwant hätte es ihr, daß es so oder so etwa kommen werde. Und der Frau hätte sie ja nicht um die Ecke getraut; so etwas Maliciöses im Gange und den Fingerspitzen, in den Locken und Lippen, und die cachirte Vornehmheit! An ihrem Gesichte konnte man ihr die Giftmischerin ansehen. Und wenn sie nur Den wüsste, der sie ihr zuerst ins Haus gebracht!
    War dies vielleicht die arme Baronin? Sie saß über ihren Stuhl gelehnt wie ein Bild des Entsetzens, blaß mit weit aufstarrenden Augen, sprachlos. Es war ihr Vieles im Leben begegnet, sie hatte einmal geglaubt, noch vor Kurzem, was sie dulden müsse, das dulde Keiner außer ihr, aber das, was sie jetzt erlebt, war mehr, es war zu viel. Sie hatte dafür keine Sprache, vielleicht auch keine Gedanken. Die Lupinus galt ihr, und war ihr immer vorgestellt worden als ein Muster von feiner, edler Bildung, von Herzensgüte und Verstand, das sie zwar nicht erreichen, aber auf das sie zur Nacheiferung, blicken, woran sie sich halten könne. Und glaubte die Eitelbach nicht, daß sie schon eine Andere, Bessere geworden! Hatte sie nicht erkannt, woran es ihr fehle, hatte sie es in einem gerührten Augenblicke nicht geradezu ausgesprochen, und die Lupinus hatte ihre Hand auf sie gelegt und mit herzgewinnender Güte gesagt: die einfältigen Herzens sind, denen ist das Himmelreich offen! – Und ja, sie war es wirklich, welche die Lupinus zuerst mit der Kompagnonin ihres Mannes bekannt gemacht hatte. Da brach es heraus. Schmerz, Aerger, Wuth: »Herr Gott, wenn die 'ne Giftmischerin ist, was sind wir dann Alle!«
    Der Legationsrath Wandel schien in dieser fürchterlichen Scene nicht die Fassung behalten zu haben, welche er in allen Lagen des Lebens an den Tag gelegt. Das Unglück einer theuren, langjährigen Freundin musste auch ihn momentan erschüttert haben. Er war wenigstens für die nächsten Minuten nicht ganz Herr seiner selbst. Er saß auf einem Stuhle, den Rücken der Gesellschaft zugewandt. Sein Kopf sank über. Plötzlich aber stand er auf, und trat in die Mitte des Zimmers. Sein Auge leuchtete, indem er die Anwesenden überschaute, ein hochmüthiger, fast verächtlicher Ton in seiner gehobenen Stimme: »Und wer sagt – ich frage, wer wagt die Frau, welche man aus unserm Kreise geführt, eines Verbrechens anzuklagen! Hat Jemand von Ihnen Beweise? Liest man in ihrem Herzen! Wer, ich frage, traut sich zu, auf bloßes Geschwätz, Vermuthungen hin, ein Urtheil über eine Dame zu fällen, die als ein leuchtendes Exempel von Tugend bis da in unserer Mitte stand? Wer? wiederhole ich, fühlt sich so reinen Herzens, um den Stein auf sie zu werfen! – Warum senken Sie die Köpfe? – Wie! Weil die Dienstleute ein Gerücht hereintrugen, ungebildete Gerichtsdiener, übereifrige Beamte sie verhaftet, vielleicht auf ein bloßes Mißverständniß, eine Verwechslung – Kommt das nicht vor? Giebt es nicht Justizmorde? – Wie, darum verdammen wir Die, die Sie Alle durch lange Jahre mit Bewunderung, Respekt betrachtet, die uns galt für ein Wesen höherer Art! Diese Bewunderung für ihre guten Eigenschaften, der Eindruck, den sie unwillkürlich auf uns Alle geübt, wäre erloschen, fortgewischt durch ein einziges Wort! O mein Gott, lassen Sie mich nicht so schlecht von uns Allen denken, daß ein unbesonnenes, überhastetes Wort die Thaten eines ganzen Lebens verlöschen könnte –«
    »Aber –« fiel ihm Jemand ins Wort. Wandel ließ ihn nicht zu Worte kommen.
    »Sie haben Recht, der Schein ist gegen sie. Ich vermesse mich auch in keiner Art hier Richter zu sein, noch ableugnen zu wollen, was etwa von emsigen Polizeibeamten zu Protokoll gegeben ist. Nein, von solcher Anmaßung bin ich weit entfernt. Aber meine verehrten Freunde, hüten wir uns Schlüsse zu ziehn aus dem, was scheint, was wir vermuthen. Wollte ich meinen Vermuthungen nachträumen, dem Scheine trauen, der eben wie ein Blitz vor mir aufzückt, ich

Weitere Kostenlose Bücher