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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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schmunzelte ihr Kompagnon, der Baron. »Gefällig gegen Jedermann, hat noch die feinen alten Hofsitten. Wenn solchem Mann ein Glück zufällt, da kann man doch noch sagen, es ist Gerechtigkeit drin. Die Glückspilze sind mir zuwider.« Die Braunbiegler meinte, er wäre todt, und nun könnte man ihn in Ruhe lassen. »Wenn mir nu noch Ener kommt,« trumpfte sie auf den Tisch, »ob er todtig ist oder lebendig, des weeß ich, denn schmeiß ich die Karten fort. Zu ville ist zu ville. – Aber, Frau Geheimräthin, müssen Sie denn allemal vergeben?«
    Der Bediente war eingetreten, offenbar mit einer Meldung, aber er schien zu zaudern, als er die Lupinus im Begriff sah, die wieder aufgenommenen Karten zu mischen. »Es ist draußen – es steht draußen – es will Jemand Frau Geheimräthin Lupinus sprechen.« – »Wir haben hier auch zu sprechen.« – »Der sagt aber, er muß absolut.« – »Na, wer ist es denn, Jean?« – »Ich kenne ihn nicht, Madame Braunbiegler, – aber – aber er ist sehr dringend, er hat ein Schild auf der Brust und sagt, er muß
partout.
«
    Wandel hatte die Geheimräthin fixirt. Ein
»à merveille!«
entstieg unhörbar seinen Lippen, als sie die Karten vor sich niederlegte und aufstand. Sie verzog keine Miene: »Ich kann mir denken, was es ist; wahrscheinlich wegen eines Dokumentes aus meines Mannes Nachlaß, auf das eine auswärtige Behörde aus archivalischen Gründen einen Anspruch geltend macht. Es thut mir unendlich leid, daß ich abermals die Gesellschaft stören muß, hoffentlich nur auf einige Augenblicke.« Sie rückte den Stuhl zurück. Wandel reichte ihr den Arm und führte sie bis an die Thür. Ob und was er mit ihr gesprochen, weiß man nicht. Sie haben sich nicht wieder gesehen, heißt es.
    An der Thür blickte die Lupinus noch einmal über die Schulter, und die ihren Blick damals sahen, wollten ihn nie wieder vergessen haben. Mit einem Lächeln rief sie: »Ich bin am Geben, meine Damen, vergessen Sie es nicht und ich werde nicht wieder vergeben.«
    Es war eine peinliche Stille von einigen Minuten. Im Augenblick, wo man einen Wagen abfahren hörte, trat das Stubenmädchen ein, blaß, wie verstört: »Ach Gott, wissen Sie schon –« Die Sprache versagte ihr. »Was?« – »Sie wird abgeführt – sie ist kriminalisch –« die Thränen stürzten dem Mädchen aus den Augen. »Ach Gott, ach Gott! daß solchen Leuten auch so was passiren muß. Die gute Frau Geheimräthin!« – »Unmöglich! – Ein Mißverständniß!« Die Karten fielen, die Stühle und die Tische rückten. Ueberall blasse Gesichter. Mehrere Herren waren hinausgeeilt. Der Baron Eitelbach kam aber schon hereingestürzt. Es ist eine fatale Wahrnehmung für unser Humanitätsgefühl, aber es steht unstreitbar fest, mitten aus diesem Humanitätsgefühl schießt oft eine kannibalische Lust, wenn wir ungewöhnliches Unglück, von äußerem Schrecken begleitet, hören. In das Bedauern für die Leidenden mischt sich ein wollüstiger Kitzel. Es ist nicht immer Schadenfreude, oft nur die Freude, aus dem Alltäglichen heraus in die Regionen des Ungewöhnlichen uns versetzt zu sehen. Hören wir, daß es nur blinder Lärm war, kein Feuer, eine Mystifikation, so werden wir still. Wir äußern vielleicht ein Gott sei Dank! Aber ganz recht ist es uns nicht, daß die wunderbare Aufregung ohne Resultat geblieben.
    »'S ist richtig! Wissen Sie's?« schrie der Baron. »Um des Himmels Willen, was?« – »Sie hat ihrem Mann Rattengift gegeben. – Die Leiche ist heimlich ausgegraben – secirt. O wir werden noch mehr hören.«
    Die Wirkung auf die Gesellschaft zu beschreiben, unternehmen wir nicht, die aufgerissenen Augen, die bleichen Gesichter, die Taschentücher, die Eau de Cologneflaschen. Die »Unmöglichkeit! Es ist Verleumdung!« welche zuerst von den Lippen brachen, verstummten allmälig. Es kamen immer Mehr zurück, die es bestätigten, neue Details angaben. Die hatten die Gerichtsdiener, Andere Fuchsius, einen Kriminalrath, einen Gerichtsarzt gesprochen. Die Gesellschaft war aufgelöst; die Nachrichten wuchsen mit den Vermuthungen. Sie hatte nicht nur ihren Mann vergiftet, auch die Kinder, ihre Dienerschaft. Sie war eine Giftmischerin aus Profession, eine Brinvilliers. Sie hatte aus einer Apotheke alles Rattengift aufgekauft. »Daher kann sie keine Mäuse und Ratten sehen.«
    Eine Dame entsann sich, daß sie einmal eine ganze Schule zu sich gebeten und traktirt, und die Kinder waren nachher krank geworden. Sie hatte die ganze

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