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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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schon von draußen sein: »– Tralirum la! Krieg! Krieg! Ausmarschordre! – Laforest kriegt seine Pässe!«
    Es war ein Intermezzo, das überhaupt zu dem, was hier geschehen, nicht stimmte: Trompetengeschmetter, das einen Choralgesang, die Trauermusik eines Grabeszuges unterbricht. Glühte sein Gesicht nur von der Freude oder auch vom Wein? Gleichviel, es glühte und er war trunken. Er fiel um den Hals, wer ihm in Weg trat. »Krieg! es geht los!« begleitete den Kuß. Er hatte den Baron Eitelbach so umarmt, er drückte auch der Baronin seinen Bart und seine Lippen an die Wangen. Nur vor der aufrechten Gestalt des Legationsraths wich er zurück, um den General-Stabs-Chirurg Görecke ans Herz zu schließen.
    Herr von Wandel glaubte einen schmerzlichen Zug um die Augen der Baronin zu sehen. Er flüsterte ihr ins Ohr: »Nicht verzweifelt, meine Freundin. Man muß in solchen Momenten der Aufregung auch einer Rohheit nachsehen, die unter anderen Umständen unverzeihlich wäre. – Er kann sich bessern, obgleich – doch es kommt eben darauf an, ob er ein Diamant ist, oder nur ein Kieselstein.«
     
Neunundsiebenzigstes Kapitel.
     
Wir werden Alle Blut sehen müssen.
    Die blaugraue Dämmerung eines Nebelmorgens drang noch kaum durch die von der innern Wärme angeschlagenen Scheiben in das Zimmer der Fürstin, als diese im Negligé aus ihrem Kabinet trat. Wandel, der hinter ihr die Thür schloß, war schon fertig angezogen. Er sah blasser als gewöhnlich aus und schlang ein wollenes Tuch gegen die Morgenkälte um den Hals, ehe er sich anschickte, den Mantel umzuwerfen. Die Fürstin wies auf die Thür zur Hintertreppe: »Sie können durch den Gartensalon. Adelheid schläft schon seit gestern nicht mehr hier.« – »Der Abschied von der Tugendprinzessin war wohl sehr rührend?« Die Gargazin sagte nach einigem Besinnen: »Ja – ich habe geweint.« Was sie noch sagen wollte, verschluckte sie.
    »
Tant mieux, Madame,
sie kann uns nun protegiren.
Le temps se change, mais pas les hommes.
« – »Ich wünschte, Sie changirten,« sagte die Fürstin ernst. »Hat Sie der Anblick des jungen Mädchens nie gerührt? Zuweilen – wenn ich sah, wie alle Verlockungen und Verführungskünste von ihr abglitten – ja, zuweilen überkam es mich, ob sie nicht in einem unmittelbaren Schutze stehe.« – »Die Hand des Schutzengels, den der Himmel ihr gesandt, drück' ich jetzt an meine Lippen.
Au revoir!
Uebrigens habe ich ja auch ein wenig den Engel agirt.« Die Gargazin riß die Hand zurück und ihr strafender Blick hätte ihn zum Schweigen auffordern sollen, aber er schwieg nicht: »So war uns die Rolle des Verführers zugewiesen. Jede Rolle ist gut, wenn man sie nur gut spielt. – Sie schaudern, es ist ein frostiger Oktobermorgen. Sie werden sich erkälten, Sie sollten sich wieder zur Ruhe legen.« – »Ich schaudre, doch ich friere nicht.« Er sah verwundert, als sie nach der Klingelschnur griff. »Ich will nach der Hedwigskirche. – Wenn Sie gesündigt, fühlen Sie dann nie das Bedürfniß, Ihr Herz auszuschütten? Haben Sie gar keine Empfindung, keine Ahnung davon, welche Erleichterung, Wohlthat es ist, so belastet und gedrückt sich in den Staub zu werfen, und im Bekenntniß, in der Beichte zu den Füßen eines
plénipotentiaire
der Allmacht alles das niederzulegen, und jeden Winkel in uns auszukehren?«
    »Ich begreife es – ich begreife es vollkommen!« – »Und Sie verschmähen die Wohlthat.« – »Was dem Armen ein Schatz ist, wirft der Reiche oft aus dem Fenster.« – »O Sie reicher Mann!« Es war ein böser, aber scheuer Blick. »Weil sie so gewaltig stark sind. Weil Sie die Schwäche nicht kennen! – Ich hätte Sie von Anfang an hassen müssen –« »Aber Sie wollten mich bekehren, darum erbarmten Sie sich meiner und liebten mich.« – »Nein! – Eigentlich bewundere ich in Ihnen die Allmacht der Natur. Wie es möglich war, ein Geschöpf in Menschengestalt ohne Blut und Herz zu bilden! Sie waren mir neu, interessant, ich wollte Sie studiren. Ich klopfte an, ob nicht irgendwo eine schwache Seite herausklinge – aber kalter Marmor von außen und noch kälter von innen. Ich fragte mich, was bewegt denn diesen Block, den irgend ein Dämon aus dem kalten Gestein loshieb und gemeißelt ins Leben setzte, mit täuschender Menschenähnlichkeit, aber er ward kein Mensch.« – »Einige wollten behaupten, der Egoismus sei es allein, der diesen – Marmorblock in Thätigkeit bringt.« – »Aber die Lichter des Himmels

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