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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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müsste zum Ankläger werden gegen die edelsten Männer, die lautersten Charaktere Berlins. Sie traute keinem Arzte mehr, sie glaubte ihre Schwächen durchschaut zu haben, sie nannte sie insgesammt Charlatane; das wussten Heim, Selle; Mucius hat es auch gewusst. Sie präparirte sich selbst ihre Hausmittel, sie hatte sich eine kleine Apotheke von Herrn Flittner verschafft, wie ich ihr auch abrieth und vorstellte, daß es zu Mißdeutungen eben von Seiten der Aerzte führen könne. Es hat dazu, meine Herren, geführt, man hat Urtheile über sie ausgesprochen, die ich nicht wiederholen will. Wie nun, wenn ich diesem Schein nachginge, argumentirte: sie war eine sehr kluge Frau, die tiefer sah als Andere, darum waren Die, denen sie ins Handwerk schaute, ihre gebornen Widersacher, die ihr auf den Dienst lauerten, jede ihrer Handlungen mißdeuteten; diese Aerzte sind es, die, weil sie dieselben vom Todtenbette ihres Gatten fern gehalten, weil sie dieselben beleidigt, verhöhnt, an Ruf und Praxis geschädigt, sie sind es, welche den Verdacht gegen die Unglückliche ausgestreut, bis andere daraus eine Denunciation gebildet. O nein, meine Freunde, ich unterdrücke diese Vermuthung, und noch andere, ich versichere Sie, Vermuthungen, die einem Andern als mir zu Schlüssen würden. Nein, sie steht mir zu hoch, als daß ich ihr helfen sollte durch das Verderben Anderer. – Sie wundern sich über meinen persönlichen Eifer. Nun wohl denn, wenn Ihnen die Entrüstung eines Edelmanns über das Unrecht, das man einer edlen Frau anthut, nicht Grund genug ist, so habe ich keinen, unter so nahen Freunden zu verschweigen, daß meine Achtung und Bewunderung für Madame Lupinus mich nach dem Tode ihres Gatten trieb, um ihre Hand zu werben. Ich sprach es noch nicht aus, um ihre Gefühle zu schonen, aber schon bei einer bloßen Annäherung kam sie schonend, doch mit einer Würde mir entgegen, die alle meine Hoffnungen zurückwies. Sie gehöre dem Todten wie einem Lebenden an, und nichts dürfe sich zwischen sie und diese heilige Erinnerung drängen. Brauche ich Ihnen zu sagen, wie ich diese heilige Empfindung verstand und ehrte, da Jeder von Ihnen weiß, daß ich seitdem ihr Haus nicht mehr betrat. Und diese Frau wagt man zu beschuldigen, daß sie Hand gelegt an das theure Haupt ihres Verewigten! Diese Mittheilungen bin ich dem Kriminalgericht schuldig. Ich werde sie machen und zum Richter sprechen: Untersuchen Sie streng, das ist Ihre Pflicht, aber erlauben Sie mir auch, eine moralische Ueberzeugung vor Ihrem Stuhle auszusprechen. Möglich ist Alles, aber nur Die, welchen die Sünde in ihrem ersten Stadium, im Argwohn und Neid gegen die Besseren und Glücklichen, genaht ist, werden die Beschuldigung aussprechen, sie werden ein Behagen daran finden sie zu glauben, eine edle, reine Seele wird die Worte ausrufen, welche mir vorhin ins Ohr klangen: Wenn sie eine Giftmischerin ist, gütiger Gott, was sind wir dann Alle!«
    Der Eindruck der Rede war groß. Er hatte seinen Hut ergriffen, sich gegen die Gesellschaft verneigt, am tiefsten gegen Madame Braunbiegler. Die Gesellschaft verstand die Bedeutung. Trotz des allgemeinen Schauers, trotz der Unruhe des Aufsbruchs, denn die Meisten nahmen Abschied, bewunderte man den ritterlichen Mann, welcher so der Ehre einer Frau sich annahm, die ihm den Korb gegeben! Und seine hohe Gestalt, sein tiefglühendes Auge unter einer Stirn, die sich im edlen Zorn immer höher zu wölben schien! So hatte man ihn nur gesehen, als er im Hause der Obristin als Retter auftrat.
    Niemand schien vergnügter als Baron Eitelbach, er hätte, als Beide im Vorzimmer sich begegneten, dem Legationsrath um den Hals fallen können: Seine Frau übernahm es statt seiner. Eine Thräne glänzte in ihrem schönen Auge, als sie, vom Arm ihres Mannes sich losmachend, ihre Hände auf seine Schultern legen und, auf den Zehen sich erhebend, einen Kuß auf seine Stirn hauchte: »Eine schöne That verdient eine Belohnung. Eigentlich, daß Sie's wissen, habe ich Sie nicht leiden können – Sie sind ein guter Mensch, das wusste ich, aber es war mir doch immer daneben, als wenn sie ein schlechter Mensch wären – heute aber nein, Sie sind gar kein Mensch nicht, heute waren Sie wie ein Gott.«
    Schade, daß die schöne Scene durch ein kreischendes Gelächter unterbrochen ward. Nicht das des Barons, der nur etwas »grinste« und sich vor Schadenfreude die Hände rieb, sondern gespornte Stiefel polterten die Treppe herauf, und der Rittmeister schrie

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