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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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hättest du auf wenigen Gesichtern gefunden. Plötzlich war der Gesang des Leiermanns verstummt, und eine grelle Beckenmusik schallte übertäubend aus dem Garten herauf – wie zur Freude Aller. Der General, den wir einst in der Gesellschaft der Lupinus kennen gelernt, und der jetzt auf einen der größern Balkone trat, hatte es im Vorübergehen so angeordnet.
    »Das war ja nicht mehr zum Aushalten,« sprach er zu den Offizieren, die sich respektvoll erhoben. »Was soll das Krächzen! Wenn der Soldat ins Feld zieht, muß er fidel gestimmt sein.« –
    Der General hielt auf seine Autorität und duldete keinen Widerspruch von unten; nach oben erlaubte er sich aber Widerspruch, weil er auch dahin auf seine Autorität hielt. Er galt für streng, tyrannisch in seinen Launen, ja Einige nannten ihn barbarisch in der Strenge gegen den gemeinen Soldaten, und von brutalem Stolz gegen das Civil. Heut erschien er milder. War es der Anblick der wohlgeordneten Kriegerscharen, war es die Assurance, mit diesem Heer zu siegen, oder der Ernst, welcher sich der Seele jedes denkenden Kriegers vor einer Schlacht bemeistert. »Weiß vielleicht Einer von den Herren,« unterbrach er das Schweigen, »was aus dem Obristwachtmeister von Eisenhauch geworden? Nach Oesterreich kam er voriges Jahr zu spät, die Campagne war vorüber. Demnächst schrieb man, daß er aus Alteration gefährlich erkrankt sei. Es sollte mich doch wundern, ob er sich nicht wieder bei uns einfindet, wenn es Ernst wird.«
    Auf die Frage wusste Niemand Bescheid; sie wussten eben so wenig, ob der General etwas zum Lobe oder zum Tadel des genannten Offiziers hören wollte. Sie schwiegen.
    »Meine Herren, er ist ein Genieoffizier von admirablen Kenntnissen, hat auch manche vortreffliche Konceptionen. Ich gestehe Ihnen, einige waren wirklich acceptabel, und es that mir leid, als er den Abschied nahm. Verdachte es ihm freilich nicht. Wollte nicht bloß Rath geben, drauf los, ins Feuer; chevaleresque und von exemplarischer Conduite. Aber, offenherzig, es ist mir heute doch lieb, daß er nicht bei uns blieb. Wir wären auf manche Vorschläge eingegangen, wir hätten Vieles geändert. Vielleicht zum Guten – wer weiß es, wer hat die Probe gemacht! Heute gereicht es mir nun zur Genugthuung, daß auch nichts in unserm Armeewesen geändert ist. Wenn der große König aus den Wolken blickte, sähe er seine Armee, wie er sie verließ, kein Knopf an den Kamaschen mehr oder weniger. Und so soll und wird sie Bonaparte sehen. Meine Herren, Attention! Das ist etwas, was wir nicht zu gering anschlagen dürfen. Er muß bei dem Anblick gleichsam fühlen, daß er mit dem Genius des vorigen Jahrhunderts sich schlagen soll. Und da er ein Mann von einem gewissen Sentiment ist, muß dies einen moralischen Eindruck auf ihn machen. In seinem Moniteur lässt er uns Don Ouixoten nennen. Nun, wir wollen doch abwarten, wer Mühlenflügel und wer Geister gesehen hat!«
    Man konnte aber jetzt kaum noch etwas sehen und noch weniger hören. Der Staub war unerträglich geworden, zu Wolken aufwirbelnd fiel er als trockner Regen nieder. Dazu war ein Toben, Peitschengeknall, ein Gewieher der Pferde und ein Gekreisch der Troßknechte, daß die Kommandoworte nicht mehr durch das Gewirr drangen. Was halfen die Flüche und Klingen der Offiziere, die auf den Rücken der Säumigen fuchtelten, wo Alles stockte! Drei Batterieen hatten, nachdem die Dragonerregimenter das Ihre gethan, die Straße in Grund und Boden aufgewühlt, und jetzt, so weit das Auge vor und zurück sehen konnte, war sie mit Bagagewagen, Fourgons, mit Kaleschen und Küchenwagen bedeckt. So breit der Weg, hatten die Fuhrwerke sich doch verfahren und grad am Garten war eine totale Stockung eingetreten. Auch im Fuhrwesen war die alte Ordnung, aber in jeder Ordnung giebt es Ausnahmen, und Kutscher und Fuhrknechte sind darin verstockte Aristokraten, die auf Rang und Stand im Vorfahren unerbittlich halten. Wessen Generals, Obristen oder Kapitäns eigne Wagen vorfahren wollen, und dadurch die Verwirrung verursacht, war nicht mehr zu ermitteln; kurz, Räder, Deichseln, die Pferde und ihre Geschirre waren in ein wüstes Knäul gedrängt, daß die Campagnepferde der Offiziere dazwischen in Gefahr geriethen, und nicht Reiter noch Fußgänger mehr hindurch konnten, um zu sehen, wo die Stockung anfing und Abhülfe nöthig war. Die kommandirten Aufseher und Offiziere mussten über die Wagen wegklettern und springen, und wo sich auch das nicht thun ließ,

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