Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
hängen!«
Der Obristwachtmeister sah sie noch verwunderter an. Welche Lichter zückten plötzlich durch diese Seele! »Alles kommt anders, als wir's uns gedacht,« fuhr die Baronin fort, »und es ist überall so. Die arme unglückliche schreckliche Geheimräthin! Ich mag's noch immer nicht glauben, daß sie so schlimm ist, aber wenn sie ihn liebte und heirathen wollte, und es darum gethan hat, nun ist sie auch auf immer von ihm getrennt.« – »Von wem?« – »Vom Legationsrath.
A propos,
der ist Ihr aufrichtiger Freund, Dohleneck, Sie mögen es nun glauben oder nicht. Ein Freund in der Noth ist er, das kann ich Ihnen sagen. Sie packen ihm Alles auf, wer was zu tragen hat und wen was ängstet, und dafür verreden sie ihn noch. Aber er trägt es und lächelt. Er weiß auch, Dohleneck, daß er Ihnen unausstehlich ist, und doch sorgt er um Sie wie ein Vater, nein, wie ein Freund, der Alles thun möchte, um mir meinen liebsten Freund zu erhalten. Was giebt er mir nicht für Rathschläge, daß Sie in der Campagne zu Ihrer Gesundheit thun und mitnehmen sollen, und bittet mich, daß ich Sie beschwören soll. Sie möchten sich nicht zu sehr exponiren.« – »Wenn er mir den Rath ins Gesicht gäbe, würde ich wissen, wie ich ihm ins Gesicht antworte; ein Soldat thut nur seine Schuldigkeit.«
Sie lächelte ihn ruhig an: »Ich weiß es schon. Grade so würden und müssten Sie sprechen, hat er zu mir gesagt. Darum hat er mir auch verboten, Ihnen von den Salben und Pulvern zu geben; Sie würden lachen und den Plunder in den Graben werfen. Der Beste und der Klügste ändert's nicht, was kommen soll, und das ist das Wunderbare in unsrer Bestimmung, sagt er, daß man das weiß, und sich doch immer wieder gedrungen fühlt, den Rath zu geben, der nicht befolgt wird. So hat er's auch mit der Lupinus gemacht. Wie er es ihr auch zu verstehen gegeben, daß es nur Achtung und Verehrung von ihm sei, sie hat's für Liebe gehalten. Und wie er jetzt auch sich Mühe giebt, daß ihre Unschuld an den Tag kommen soll, er weiß doch, sie werden nicht auf ihn hören, denn die Menschen rennen alle in ihr Verhängniß, und er preist die am glücklichsten, die nicht klug sind, und nicht Alles sehen wollen, denn ihnen werden viele Qualen gespart. Darum, sagt er, hat er uns so lieb, ob er schon weiß, daß ich ihm nicht gut bin und Sie ihn gar nicht mögen. Da ist auch alle Mühe umsonst, setzte er hinzu, alle Beweise helfen nichts, und der Mißtrauische weiß sogar in der guten That die man ihm erzeigt, eine heimliche böse Absicht herauszulesen.«
Dem Herrn von Dohleneck ging es dumpf durch den Kopf: »Wenn man sich doch getäuscht hätte!«
»Das sagt er ja auch. Wenn in der letzten Stunde nur die Enttäuschung käme! Wenn er da liegt auf dem Felde der Ehre, und die Lüfte trügen mir wenigstens mit Aeolsharfenklang sein Geständniß zu: Ich habe mich in Dir geirrt! Das wäre wenigstens ein Trost!« – »Donner und – Himmeldonner! Er macht mich doch nicht bei lebendigem Leibe todt!«
Der Obristwachtmeister Stier von Dohleneck hatte nicht die Veränderung gesehen, die auf dem Gesicht der Baronin vorgegangen. Die Thränen stürzten aus ihren großen, schönen Augen; sie zitterte: »Ja, mein inniger, einziger Freund, er hat eine Ahnung – er wollte schweigen – ich erpresste ihm das Geständniß – Ihr zügelloser Muth – er sah Ihr Blut fließen – Wir ändern's nicht – ja, es ist nur zu wahr, es findet sich Alles nur, um sich zu trennen, die Herzen, um von einander gerissen zu werden, die Seelen und Geister, um sich schätzen zu lernen, wenn sie sich verloren haben, und das Glück ist nur da auf der Welt, daß es zerbricht! – Es ging ja auch nicht anders,« sagte sie, sich zurückbeugend, und blickte ihn mit freudiger Wehmuth an. »Wir konnten uns ja nur finden, um uns wieder zu trennen! – Freiwillig, nicht wahr, hatten wir es gethan? Und nun trennt uns eine höhere Hand.« – »Aber warum denn auf immer!« sagte der Offizier, ihre Hand an die Brust drückend. »Ohne Hoffnung –« »Darf der Mensch nicht leben und nicht sterben,« fiel sie ein. »Das hat er auch gesagt. Und sah dabei in den Himmel, und das war ein Blick! – Nein, nicht auf immer! sagte er, wer unvergänglich liebte, der liebt auch in die Ewigkeit. Ist denn das Blut ein Strom, der uns vom Jenseits trennt? Da liegt er auf der Haide, purpurn strömt es aus Brust des Redlichen. Sein letzter Hauch ist seine Freundin, sein letzter Blick für Sie. Wenn er Sie im Tode
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