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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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glaubwürdigen Nachrichten, der einzige Zweck von Preußens gegenwärtiger Rüstung. «
    »
Qu'en dites-vous, Madame?
Preußen rüstet nicht für sich, sondern für die deutsche Nation! Wenn es nicht so entsetzlich naiv wäre, könnten Andere als wir vor den Konsequenzen erschrecken. Aber ich hoffe, man wird weder in der Hofburg zu Wien blaß werden, noch in Sanct Petersburg roth, noch wird mein Kaiser fragen: wer in aller Welt gab denn Preußen die Vollmacht für die deutsche Nation? Denn in Wien, Petersburg und Paris weiß man, daß Phrasen tönender Wind sind. Nicht wahr? Aber ein wenig Achtung giebt man doch, wenn die Kinder in Phrasen zu sprechen anfangen, die sie freilich gelernt haben, aber man fragt doch: von wem?«
    Der französische Gesandte, Herr von Laforest, war längst in seinem Wagen fortgerollt. »Und doch betrügt er mich nur!« war das Ende eines langen Selbstgespräches, aus dem die Fürstin bei diesen Worten zu erwachen schien. »Aber man lässt sich zuweilen gern betrügen.« Sie setzte sich an ihren Sekretär, und schrieb hastig. Das Billet auf Rosenpapier mit der Aufschrift: »An den Legationsrath, Herrn von Wandel,« ward einem Diener übergeben, mit dem Befehl, auf der Stelle dahin zu fliegen und Antwort zu bringen. Die Antwort ließ doch eine Stunde auf sich warten, welche für die Prinzessin in sichtlicher Spannung verging. Mehrmals hatte sie sich wieder zum Schreiben niedergesetzt, aber Alles, was sie angefangen, gefiel ihr nicht, sie zerriß es wieder. »Es geht nicht schriftlich,« sprach sie. »Solche Botschaft kann nur mündlich an Buxhövden gebracht werden.« Endlich kam Wandels Antwort. Sie lautete:
    »Die ehrenvolle Mission, welche Fürstin Gargazin mir zugedacht, wie sie auch laute, ist mir der sicherste Beweis für das, was mein Herz mir sagt, daß es eine Selbsttäuschung war, als ich einen Moment glaubte, daß sie im Zorn von mir scheiden wollte. Eine Heilige kann nicht zürnen.
    Um so schmerzlicher trifft es mein Herz, daß ich dem Rufe nicht folgen kann. Meine Verhältnisse, meine Ehre gebieten mir, hier zu bleiben. Die Dame, um deren Hand ich mich bewerbe, wird eine Aufwallung, zu der ich mich hinreißen ließ, vergessen, und die Gerüchte, die man über eine Entzweiung aussprengt, selbst widerlegen. Wenn die geringen Gaben, welche die Natur mir schenkte, die Kenntnisse, welche ich mir erwarb, in Mancher Augen mir vielleicht eine höhere Sphäre anweisen, so fühle ich doch nur zu sehr, daß der Mensch, der immer in weiteren Peripherieen sein Glück sucht, so oft das übersieht, was ihm zunächst liegt, und worauf Natur oder Geburt ihn gleichsam hinstieß. Meine physikalischen und chemischen Kenntnisse berechtigen mich zum Glauben, daß ich in der Tuchfabrikation Verbesserungen einführen werde, welche dem Lande, dem ich fortan gehören will, von, wenn auch nur geringem, doch von Nutzen sein werden. Lächelt Fürstin Gargazin darüber, so denkt sie doch vielleicht milder, wenn sie den Spruch sich zuruft von dem, der sich selbst erniedrigt.
    Und doch würde ich Ihrem Rufe folgen, wenn nicht die heiligste Pflicht mich fesselte. Jene Aussichten bei Seite gesetzt, in diesem Augenblick kenne ich nur eine Pflicht, eine unschuldig verfolgte Frau, die mir einst theuer war, gegen die Barbarei der Gesetze zu schützen. Ja, ihr gehört mein Leben.
    Urtheilen Sie über mich, verdammen Sie mich, ich werde nie vergessen, was seiner Wohlthäterin, der edelsten Frau des Jahrhunderts, der Fürstin Gargazin verdankt
    Ihr unterthänigster –«
     
    Die Fürstin zerriß mit einem verächtlichen Lächeln den Brief in kleine Stücke: »Nun muß ich selbst –« In ihrem Hause war helle Unruhe. Um Mittag fuhr ihr Reisewagen, mit vier Courierpferden vorgespannt, aus dem Thore von Berlin. Eine Relaisbestellung bis Riga flog ihr voraus. Von der Höhe draußen wandte sie sich noch einmal um: »Lebe wohl, Babel! du und dein Reich sollen vergehen!«
     
Einundachtzigstes Kapitel.
     
Sie sind die Puten von Excellenz.
    In einem öffentlichen Garten der Vorstadt war an einem schönen Oktobernachmittage eine ungewöhnlich große Zahl von Gästen versammelt. Jene Zeit, wo die Schichten der Gesellschaft sich weit schroffer gegenüber standen, als es später der Fall war, hatte doch den Vorzug, oder, wenn man es nicht so nennen will, sie bot für das gesellige Leben den Vortheil, daß die öffentlichen Vergnügungsorte noch nicht in der Art schroff gesondert waren, daß die Anwesenheit von im Leben niedriger

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