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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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schwangen sich Einzelne über die Hecke und suchten durch den Garten den Weg zu ihrem Ziel.
    Die Lyciumhecke war kein schirmender Wall mehr. Tische, Bänke und Estraden wurden, weil Alles überstieg und durchbrach, verlassen, um doch gleich wieder von Neugierigen besetzt zu werden. Eine Gefahr erschreckt nur im ersten Augenblick, im nächsten erregt sie schon den Kitzel, es mit ihr zu versuchen. Die rohe Wuth, die Leidenschaften waren entfesselt. Manches Gesicht glühte auch vom Branntewein, es konnte aus der Zänkerei ein Kampf werden. Die verschiedenen Truppentheile haben immer gegen einander Eifersucht. Da warfen sich die Feldkutscher vor, wer wider Recht den Vorrang erstreiten wollen; dort hechelten sie sich über den Inhalt und die Größe der Bagagewagen, und aus ihren versteckten Winken – wo man diese Rücksicht noch beobachtete – erfuhr das Publikum, daß mancher Offizier Dinge oder Gegenstände mitnahm, die eigentlich nicht ins Feld gehören. Wer daran zweifelte, sah wohl vorn aus dem Rüstwagen ein halbverhülltes Frauengesicht scheu vorblicken, das nicht füglich zu den Marketenderinnen zählen konnte. Doch waren das nur Ausnahmen. Aber zwischen dem Schreien, Fluchen und Wiehern tönten noch andere Stimmen, die weder Pferden noch Menschen angehörten, sondern eher auf das Dasein einer Menagerie schließen ließen.
    Die Menagerie war indeß gar kein Geheimniß, und wenn die großen Hühnerkörbe, hinten oder vorn auf den Generalswagen, bis da mit Decken verhängt gewesen, so waren diese beim Zusammenstoß, dem Klettern und den Manipulationen der Helfenwollenden von den Meisten abgefallen. Das geängstete Federvieh flatterte und gackerte und schien selbst wieder einen Bürgerkrieg in den Gitterkörben zu führen, als durch das Zurückstoßen eines Wagens mit Zeltstangen diese an den Fourgon eines Generals stießen. Der Wagen schwankte und fiel auf die Seite über, ohne doch ganz fallen zu können, der Hühnerkorb aber brach, stürzte, und die gefiederten Innewohner, so weit sie nicht von den Zeltstangen getödtet waren, krochen, flatterten und flogen heraus. Da der Korb nach der Seite der Hecke übergestürzt war, entlud sich die lebendige Bescherung in den Garten. Die Hühner, in glücklichem Rettungs-Instinkt, drängten sich nicht wie die Schafe in einen Keil, sondern über Köpfe und Tische flatternd, krochen sie hier unter die Hecke, dort zwischen die Beine der Gäste oder suchten in sympathischem Zuge den Hühnerstall des Kafetiers. Der Aufruhr war damit in den Garten getragen.
    Wo war die Disciplin, wenn rohe Trainknechte über die Hecke auf den Tisch springen konnten, wenn die Gläser von Stabsoffizieren unterm wuchtigen Tritt ihrer gespornten Reiterstiefel zitterten, wenn sie ohne Rücksicht auf Orden und Epauletten, nicht einmal die Honneurs machend, auf die Erde platzten, wenn entlaufenes Federvieh für diese Menschen alle Rücksichten, die der Autorität gebühren, aufwog! Wo, wenn selbst ordnungsliebende Bürger nicht davor schauderten, sondern es in der Ordnung fanden, denn durch den Garten verbreitete sich ein geflügeltes Gerücht. »Es sind ja Obrist Köckeritzens Truthähne!« – »Nein, riefen andere Stimmen, es sind Excellenz Feldmarschall Möllendorfs Puthühner!«
    Der Garten erstreckte sich weit in die Sandebene. Solche Gärten hatten auch stille Plätzchen, wohin gefühlvolle Gemüther sich aus dem Geräusch des Kegelschiebens und dem Klirren der Gläser zurückzogen. Auf einer Bank unter dem Lycium, das seine ausgewachsenen und schon vertrockneten Zweige zu einer Art wilden Laube über ihre Köpfe rankte, saßen Charlotte und ihr Wachtmeister. Es war die bittere Scheidestunde. Auch wir nähern uns der von unsern Lesern und scheuen uns deshalb, ihnen eine neue Figur vorzuführen, die – sie vielleicht nicht wiedersehn. Uebrigens sah ein Wachtmeister wie der andere aus. Charlotte musste das auch denken. Sie hatte geweint und hielt das Tuch noch an die Augen. Der Wachtmeister hatte wohl nicht grade geweint, aber sein Gesicht war roth, als er die rechte Locke unter dem Hute ajustirte. »Es geht nun mal nicht anders in der Welt; aber mit Kourage geht Alles.« – »Halten Sie sich nur recht warm.« schluchzte sie, »daß Sie sich nicht verkälten.« – »Halten Sie nur Ihren Geheimrath warm,« sagte er. »Darauf kommt Alles an. Denn die Civilversorgungen, das ist die Schwerenoth, die sind verflucht mager.« – »Und trinken Sie nicht so viel Schnaps, – und wenn eine Kugel kommt«

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