Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
Vom Netzwerk:
Gestellten die höher Gestellten abhielt, auch ihr Vergnügen zu suchen. Wo der Handwerksbursch Kegel schob, konnte auch der höhere Bürgerstand mit Ehren Weißbier trinken; Beider Gegenwart schreckte sogar den Königlichen Staatsbeamten und – was mehr sagen will – den Offizier nicht ab, seine Pfeife zu rauchen. Wenn auch der Respekt die Stände nicht an denselben Tischen vereinigte, wie es im glücklicheren Süden der Fall ist, so war doch Gottes freier Himmel, die bretternen Lauben und der schmucklose Saal, wenn es regnete, für Alle ein gleiches Asyl, wenn sie aus dem Staub und Geräusch der Stadt sich retten wollten.
    Zwar dem Staub und dem Geräusch waren Diese hier nicht entflohen, denn der Garten lag an der Landstraße und auf derselben wälzten sich vom frühen Morgen an die Züge der ausmarschirenden Truppen. Der Wind trug die Staubwirbel und Wolken bis mitten in die große Stadt, und die dicke Lyciumhecke, welche den erhöhten Garten wie eine Mauer von der Straße trennte, lag in einem braungrauen Puderkleide, welches nichts mehr von dem ursprünglichen Grün zum Vorschein kommen ließ. Auch gaben sich die Mägde und die Gäste gar nicht mehr Mühe, den dicken Staub von den Tischen abzuwischen, und empfahlen nur, die Porzellandeckel sorgsam wieder auf die Weißbiergläser zu stülpen. Gegen Staub, meinten die Herren, sei der Tabaksdampf die beste Waffe. Man war ja zu Staub und Geräusch gekommen, und von den offenen Balkonen oder Estraden an der Hecke konnte man den braven Kriegern, die zum Tod für König und Vaterland auszogen, ein Lebewohl rufen, man konnte seinen Bekannten allenfalls die Hand reichen oder einen frischen Trunk auf den Weg – den schon von der Sonne Gebräunten; denn wie weit her waren die Meisten marschirt und wie lange hatten sie auf den Sammelplätzen stehen müssen, ehe die Trommel zum Abmarsch wirbelte. Wie die Lyciumhecke, Alle vom Staub gepudert, vom Blau ihres Rockes, vom schönen weißen Mehl ihrer Locken war nichts mehr zu sehen. Aber die Spontons und Bajonette funkelten in der Sonne, die Federbüsche schüttelten in ihrer bunten Farbenpracht den Staub ab und – Alle sangen. Ohne Gesang kein deutscher Soldat. Die Disciplin kann Alles; das Singen wagt sie nicht zu verbieten. Lieder waren es, die kein Dichter für sie gedichtet, am wenigsten brauchten die Soldaten in Deutschland einen Tytäus; von den Zeiten des dreißigjährigen Krieges, der Landsknechte, ja noch weiter hinauf, sie machten sich ihre Lieder selbst, oder die Luft hauchte sie ihnen zu. Einige aus alter Zeit vom Scheiden und Meiden, von frühem Tod und Morgenroth, von grüner Erde und Lindenbäumen, klangen wohl noch wie das Wehen eines Frühlingshauches durch Blüthenwipfel, aber sie klangen selten. Der Soldat auf dem Marsche sehnt sich nach »cannibalischem Wohlsein.« Wenn Einer die Tabaksfreude anstimmt, den Krambambuli, das von den Müllersäcken und Müllermädeln, da stimmte der ganze Chorus ein; Lieder sind es, welche der Schrift nicht angehören, aber sie leben, schon viele Jahrhunderte, und wollen auch wohl noch Jahrhunderte leben.
    Daher mochte der Leiermann im Garten, so er wollte, seine Ballade anheben, die ein patriotischer Poet, um der Begeisterung aufzuhelfen, gedichtet, und die etwa anfing:
     
    Grad fünfzig Jahre sind es her,
    Da zog der große König aus
    Und hinter ihm sein muthig Heer,
    Den Feinden all zu Schreck und Graus.
     
    Die Militärs hörten gar nicht, die Bürger nur halb zu, trotz dem, daß jeder Vers eine Schlacht des alten Fritz illustrirte, von Mollwitz bis Torgau. Wenn aber die Füsiliere: »Ein Schifflein seh ich fahren« anstimmten, war Alles Aug' und Ohr und die Zuschauer schienen stumm die mit greller Lustigkeit gekreischten Verse mitzusingen:
     
    Wie kommen die Soldaten in den Himmel?
    Kapitän und Lieutenant, auf einem weißen Schimmel,
    Da reiten die Soldaten in den Himmel.
    Kapitän und Lieutenant, Fähndrich, Sergeant,
    Nimm das Mädel, nimm das Mädel bei der Hand,
    Soldaten, Kameraden, Soldaten Kameraden!
     
    Wie kommen die Offiziere in die Höllen?
    Kapitän und Lieutenant, auf einem schwarzen Fohlen,
    Da wird sie der Teufel schon alle holen.
    Kapitän, Lieutenant, Fähnderich, Sergeant,
    Nimm das Mädel u.s.w.
     
    Es saßen viele Offiziere, darunter sehr vornehme, auf den Estraden, den Scheidegruß ihren Kameraden zu geben, den sie morgen von den nach ihnen Scheidenden empfangen wollten. Aber die ernste Wehmuth, welche ernste Scheidestunden hervorrufen,

Weitere Kostenlose Bücher