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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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Generalen, die im Halbkreis draußen standen, durch die offene Thür. Durch diesen vornehmen Wächterkreis war auch der Gefangene in die Hütte gebracht worden. Der Kaiser hatte ihn offiziell nicht bemerkt; er diktirte weiter, er observirte mit dem Tubus durch das Fenster. »Wenn die Sonne aufgeht, okkupiren am linken Flügel die Tirailleure das Kiefergebüsch!« kommandirte er zur Thür hinaus. Ein Adjutant flog fort. Jetzt, als er sich umwandte, bemerkte er den Eingebrachten offiziell. »Ein Spion!« – »Ein Gefangener, Sire!«
    Der Spion oder der Gefangene sank auch jetzt nicht auf die Knie, er zitterte nicht, er ertrug den kaiserlichen Blick, fest, ruhig. Vier Augen, die sich begegneten, ohne zu zucken. »Ihre Generale lassen die Spione hängen, ich lasse sie laufen.« Der Gefangene stürzte dem Großmüthigen nicht zu Füßen, er küsste nicht seine Füße. Der Angriff war fehlgeschlagen. Sonderbar, und doch stimmten Beide in ihren Empfindungen. Als der Kaiser jetzt wieder mit dem Tubus ans Fenster trat, glaubte der Adjutant ein Lächeln über seine Lippen schweben zu sehen. Auch über Bovillards Gesicht flog unwillkürlich eine Bewegung, die man so hätte deuten können.
    Wieder stand im Vorübergehn, wie zufällig, der Imperator vor dem Gefangenen still: »Ihr König hat Krieg gegen mich angefangen; ich weiß nicht warum.« – »Ich gehöre nicht zu den Vertrauten Seiner Majestät, meines gnädigsten Königs, auch nicht zu seinen Räthen,« entgegnete Bovillard. »Meine Räthe haben mir ein gedrucktes Papier aus Erfurt gezeigt. Da steht lauter Unsinn drin. Ich kann nicht glauben, daß der König von Preußen drum weiß.« Der Gefangene schwieg. Der Kaiser winkte einigen Generalen und gab ihnen leise Befehle. Es lichtete sich vor der Hütte. »Ihr König ist ein guter Mann,« fuhr der Cäsar fort, »aber er hat böse Räthe. Sie sind von England bestochen. Er hört nicht die Wahrheit. Ich habe einen Brief von ihm erhalten, er schreibt, er will nicht Krieg. Ich will ihn auch nicht. Aber die Konspirationen meiner Feinde zwingen mich; sie sind auch seine Feinde, aller Welt Feinde. Sie leben von Intriguen, sie möchten in ihrem Ehrgeiz, ihrer Rachsucht, die ganze Welt gegen mich aufwiegeln.« Der Gefangene schwieg.
    »Der Brief kam zu spät. Sagen Sie das Ihrem Könige. Das Blut, was vergossen wird, komme über ihre Häupter. Ich kenne sie – Alle – Alle!« Der Cäsar musste noch Zeit haben zum Zorn; aber die Gelegenheit war ungünstig. Wenn ein Gegner, der uns in Zorn bringen soll, schweigt, müssen wir uns selbst in Harnisch setzen. »Sie waren bei dem Prinzen Louis,« fuhr er dazwischen, – »ich meine in Saalfeld – Sie waren sein Freund.« – »Ich sah ihn fallen, den ritterlichen Fürsten, das edelste Blut, was für eine heilige Sache geflossen ist.« – »Er war betrunken, als er ausritt.« – »Er war der größte Bewunderer des größten militärischen Genius dieser Zeit, und sprach von Eurer Majestät mit der hohen Achtung, welche jeder große Mann einer andern Größe schuldig ist.«
    Die Antwort kam dem Cäsar ungelegen. Indem er sein Auge nach einem Punkte draußen richtete, rief sein Blick einen Obristen heran. Er mochte etwas sehen, was dem Feldherrn nicht gefiel. Nachdem er dem Unwillen gegen den Offizier Luft gemacht, hatte er den Ton gefunden, in dem er gegen den Gefangenen einfiel: »Diese Hitzköpfe sind es, diese Kriegspartei von hirnverbrannten Phantasten, diese Ideologen und Studenten! Der Prinz hat seinen Lohn weg. Viel zu gut! Wie, ist es erhört, hier schreibt mir der König von Preußen, er wünscht Frieden, er wünscht eine Zusammenkunft, eine Vermittelung. Die hätte sich so leicht gemacht. Und während sein König das mir schreibt, verlässt der Tollkopf seinen Posten, greift im rasenden Ehrgeiz meine Truppen an. Gleichviel ihm, wie viel Tausende darum ihr Leben ließen. Wollte durch die Attaque zur Schlacht zwingen. Und das nennt er Gehorsam gegen seinen Monarchen. Unerhört!«
    Es war die ernsteste Stunde in Louis Bovillards Leben. Dem größten Genius des Jahrhunderts stand er, der Unbedeutende, gegenüber, gewürdigt einer Unterhaltung, um die ihn Millionen beneidet hätten, und in der brennenden Krisis welchen Momentes! Und wie kam es, daß nicht Schauer vor der Größe, nicht Haß und Bewunderung wie Fieberfrost und Hitze, in ihm wechselten? Nein, er entsann sich des spöttischen Artikels einer englischen Zeitung, worin der angebliche Unterricht geschildert ward, den

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