Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
sie schienen wie der kluge Feldherr das große Feld zu überschauen, wo morgen Abend eine Tafel, und eine wie große, für sie gedeckt sein sollte. Der Offizier, der, mit verschränkten Armen auf einem Sattel sitzend, die Augen auf einen Moment geschlossen, schien durch das Gekreisch der Thiere erweckt, und sah mit Verwunderung die Stellung seines Gefangenen. Der Gedanke an einen Fluchtversuch konnte ihm nicht kommen: »Schreckten böse Träume Sie auf, oder die geflügelten Bestien da?« – »Ich bin auf mein Schicksal gefasst.« – Der Gefangene schwieg, der Andere sagte nach einer Pause: »Kamerad, aus Vorsicht möchte ich Ihnen anrathen, präpariren Sie sich noch für einige Momente auf das Leben. Sahen Sie nicht, daß der Kaiser einen eigenthümlichen Blick auf Sie warf? Er wandte noch einmal sein Pferd, um Sie wieder anzusehen.« – »Wie der Tiger sein Opfer, ehe er es zerreißt. Das war sein Blick auf Leichenhaufen.« – »Die sieht er vor jeder Schlacht. Ob eine mehr oder weniger, darauf kommt es –« »Dem Großhändler über Menschenleben freilich nicht an.« – »Sie haben den unnatürlichen Haß Ihrer Nation gegen ihn eingeimpft.« – »Nein!« antwortete Bovillard nach einigem Besinnen. »Dann würden Sie sich selbst sagen: wenn ein Fürst einen zum Tode Verurtheilten vor sein Auge ließ, bedeutete es sonst Gnade.« – »Sonst!« – »Sie prätendiren doch nicht, daß Napoleon einen persönlichen Haß gegen Sie hat, daß er an Ihrer Angst sich weiden wollte?« – »So wenig, als ich glaube, daß er den Herzog von Enghien persönlich hasste, auch nicht den Buchhändler Palm.« – »Sie nähren selbst einen bittern Haß gegen den großen Mann. Das thut mir von Ihnen leid.« – »Gegen den großen Mann! Nein. Es gab Stunden, wo ich ihn bewunderte. Ja, in dieser meiner letzten, darf ich es aussprechen, Momente, wo ich in ihm den neuen Heiland der modernen Weltordnung erblickte. Seitdem – genug! Der edle Prinz, den ich bei Saalfeld stürzen sah, war ein Bewunderer Ihres Kaisers. Einst rief er aus: ›Ich erlaube ihm ja, uns zu vernichten, aber moralisch zu meuchelmorden, das empört.‹«
»Eine seltsame Konversation, Kamerad! Der zum Tode Verurtheilte richtet seinen Richter. Ich hätte gewünscht, daß Sie heute wenigstens noch sein Bewunderer wären, daß man ihn darauf aufmerksam machen könnte –« »Und daß er vor der Schlacht einen Komödienakt spielen, großmüthig mit einer Tirade aus Racine oder Corneille mich begnadigen könnte!« – »Was kümmerte Sie die Posse, wenn sie den ernsten Schluß hätte, daß Sie mit dem Leben davon kämen, vielleicht gar mit der Freiheit. Nachher könnten Sie darüber lachen, so viel Sie wollten. – Nun, im Ernst gesprochen – man weiß in seiner Suite, wer Sie sind –« »Da weiß man sehr viel!« – »Der Sohn eines Mannes von Einfluß, der lange die französische Partei an Ihrem Hofe gehalten, vielleicht noch jetzt. Das hat die Gemüther sanft gestimmt; Gott weiß, welche Konjekturen die Herren daran knüpfen, genug – ich glaube, es käme nur auf Sie an –« »Ich sterbe in der größten Tragödie, in der mein Vaterland untergeht.«
Die Augen des Verwundeten stierten mit einem Fieberglanze auf die Wachtfeuer im Thale, deren Flammen jetzt sichtlich niederbrannten. Der Offizier sah ihn verwundert an: » Wir werden siegen, denn ich glaube fest an Napoleons Stern. Aber Sie, ein Preuße! Der kleine Sieg bei Saalfeld –«
»Ward zum entscheidenden, da Ihre Feldherren ihn benutzten, die Saale in reißender Schnelligkeit zu okkupiren. Sie haben das preußische Herr umflügelt, von den Marken und Sachsen, woher es seine Lebenssäfte erhält, abgeschnitten, Sie haben die Höhen des Flusses, die Uebergangspunkte besetzt, Sie greifen es im Rücken an, und drängen es mit Ihrer Uebermacht in die Positionen, wo Sie Herren sind. Und hier vor meinen Augen sah ich die Nacht, das Lager von Hochkirchen wieder, sogar der verhängnißvolle Jahrestag ist's der Schlacht! Dort die weit zerstreuten Feuer der sorglos Gelagerten, ohne Schanzen, Verhau, natürliche Grenzen; hier zusammengekeilt auf der Höhe, welche das Plateau beherrscht, eine stärkere Kriegsmacht, die, beweglich und elastisch, wie ein Bergstrom hinabrauschend, die zerstreuten Feinde durchbrechen, trennen, aufrollen, vernichten muß. Und der größte Feldherr des Jahrhunderts gebietet über ein Heer, das eine Einheit ist. Ja, mein Herr, Diese verdienen vernichtet zu werden, die Sie auf die
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