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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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krähte, war es vollbracht. Die Massen der kaiserlichen Garden und Linientruppen standen, ein dicht gedrängt Quarré, auf dem Bergufer, und auf dem Landgrafenberg, dem höchsten Punkte, von dem das Auge eine weite Aussicht hat auf die Hochebene, die sich nach Weimar erstreckt, erschien der Feldherr in der Mitte der Seinen. Fackeln beleuchteten den Mantelrock, das schöne, prüfende Auge des Siegers, während er längs der Reihen ritt, und den Jubel, der ihn begrüßte und verdoppelt bei jeder neuen Reihe in die Luft schallte, mit dem Lüften seines Hutes erwiderte. Seine Lippen blieben verschlossen, die Augen sprachen um so beredter: es ist morgen ein größerer Tag denn je!
    Der Jubel verhallte, er war in das Gebüsch geritten, um – zu ruhen, bis der Tag der Entscheidung anbrach. Auch seinen Kriegern war es jetzt vergönnt. Sie sanken hin, wo sie in Reih und Glied gestanden, die neben dem Pferde, die unter der Kanone; die kalte Nacht ihr Mantel. Hier brannten wenige Feuer, auch diese halb versteckt hinter Gebüsch und Erderhöhungen. Die Augen schlossen sich, ein allgemeines Schnarchen, ein Bild des Friedens wenige Stunden vor einem Gemälde des Todes, und welchem!
    Nicht Alle schliefen. Die dunklen Gestalten dort vorn, in ihre grauen Kapotmäntel gehüllt, das Gewehr in den Arm gedrückt, gegen einen Baum gelehnt, an einen Steinhaufen gekauert, hatten scharf das Aug geöffnet. Es verfolgte jeden Rauchwirbel, der über den Wachtfeuern des Feindes sich kräuselte, jeden Windzug, der in der Zeltleinwand spielte. Seit die Rotten und Glieder sich auf die Erde gestreckt konnte man das Schauspiel frei übersehen. So weit das Auge in die Nacht reichte, Wachtfeuer und Zeltreihen. Durch sechs Stunden dehnte sich das Schlachtfeld der Preußen aus, hell, licht, Alles in bequemer, hergebrachter Ordnung. Und hier auf engem Raum, um einen bewaldeten Berg zusammengedrängt, im Dunkel seiner Schatten und Nacht, und am Rande eines Abgrunds hinter ihm, der Feind. Die Wachtposten standen kaum auf Schußweite von einander entfernt; aber es fiel kein Schuß, kein Allarmzeichen, kein versprengtes Pferd störte die Ruhe. Schien es doch ein stillschweigend Abkommen, sie bedurften Beide der Ruhe, um morgen sich zu morden.
    Nicht Alle schliefen, auch von Denen nicht, welchen es vergönnt war. Unter einer Eiche lag ein zum Tode Verurtheilter. Der Offizier, der ihm zur Bewachung zubeordert, hatte ihm doch höflich das Bund Heu, das für sein Pferd bestimmt, zum Kopfkissen gegeben, daß er, so bequem es ging, eines letzten Schlafes vor seinem letzten Tage sich erfreue. Aber Louis Bovillard konnte nicht schlafen, oder er hatte schon genug geschlafen; er richtete sich auf und stützte den Kopf auf seinen gesunden rechten Arm. Der linke war verwundet, ein Verband war darum geschlungen. Vorgestern war er, als er, aus dem Saalethal aufgescheucht, über die Schwarzach setzen wollte, von französischen Jägern angerufen worden. Als er die Antwort schuldig blieb, hatten sie gefeuert. Am Arm verwundet, war er vom Pferde abgeschleudert und gefangen worden. Man hatte ihn nach Kahla gebracht und vor ein Kriegsgericht gestellt. Da er nichts sagen konnte oder wollte, als daß er in Aufträgen seiner Regierung nach Franken geschickt gewesen, und, beim Rückwege unter die Schaaren der Franzosen gerathen, den Versuch gemacht, durch den Thüringer Wald sich nach dem Hauptquartier seines Königs durchzuschlagen, hatte das Gericht ihn für einen Spion erklärt und zum Strang verurtheilt. Irgend ein Zufall, der schnelle Abmarsch, hatte die Exekution verhindert; man hatte ihn mitgeschleppt bis Jena. Auch hier war dazu keine Zeit, man hatte ihn auch auf den Berg mitgeschleppt. – Betrachtete er jetzt über sich den dürren Ast der Eiche, von dem er morgen herab schweben sollte, eine kalte Leiche? Oder suchte sein Auge durch den nebelgrau belegten Himmel nach einem Stern, an den er seine Hoffnung knüpfen wollte? Es war keine Hoffnung, die noch mit diesem Leben liebäugelt: das sprach sein umflorter Blick. Man hatte ihn immer menschlich, zuletzt mit chevaleresker Höflichkeit behandelt. Sein Wächter hatte ihm vorhin eine Cigarre angeboten, mit dem seltsamen Trost, wie in Spanien, woher er sie gebracht, die Sitte fordere, daß der Henker mit seinem Opfer eine Art Friedenspfeife raucht. »Der Tod ist ja der Frieden!« hatte der Gefangene erwidert.

    Eine Schaar Krähen, von der momentanen Stille getäuscht, hatte sich auf den Aesten des Baumes niedergelassen; auch

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