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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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Am Ausgang hatte sie ein hingesunkenes Weib bemerkt, die Züge des Todes auf ihrem blassen, schönen Gesicht. Der Prediger wollte den Anblick mit seinem Rücken decken, aber die edleren Züge des Mädchens in der widerwärtigen Umgebung interessirten unwillkürlich die Königin. Wie kommt die Unglückliche hierher? Der Geistliche hatte die Achseln gezuckt: »Eins von den Geschöpfen, welche die Soldaten mitschleppen, oder sie laufen ihnen von selbst nach. So was gehört freilich nicht in ein Gotteshaus, aber wer kann's hindern. Sie haben sie auch wohl arg mitgenommen da bei der Plünderung in Lobeda und geschlagen. Sie blutete.« Die Königin fühlte das Bedürfniß, der Armen etwas Wohlthätiges zu erweisen. Ach, sie hatte nichts, nicht einmal das, was jeder ihrer Diener bei sich führte, eine Börse. Sie wollte einen heranwinken, aber der Stallmeister stand schon mit der Miene banger Ungeduld am Wagenschlag. Aller Mienen sagten: hier ist nicht länger zu verweilen!
    Es war stiller geworden auf der Straße. Der Wagen mit den müden Pferden fuhr aber nur langsam in den aufgewühlten Wegen. Zuweilen ließ der Wind den Kanonendonner von der Mittagsseite herübertönen. Es schien eine stillschweigende Uebereinkunft, nicht darauf zu achten. Die Hofdamen, von Ueberanstrengung erschöpft, nickten. Auch die Königin hatte den Kopf in die Ecke gelehnt, zu schlafen geschienen. Jetzt richtete sie sich auf, warf den Schleier zurück und bedeckte das Gesicht mit beiden Händen. Nach einem kräftigen Athemholen löste sich ihr Schmerz in Thränen, sie glaubte ohne Zeugen; aber ihr gegenüber in der Wagenecke wachten zwei Augen. Adelheid Alltag, die hier in bescheidener Zurückgezogenheit gesessen, wagte die Hand der Fürstin zu ergreifen und, halb auf das Knie sinkend, sie an die Lippen zu drücken.
    »Es ist ja noch nichts verloren.«
    »Nichts!« sagte die Königin und schüttelte wehmüthig den Kopf. – »Aber Ihr Anblick, liebes Kind, sollte mir eigentlich Stärke geben. Würden Sie denn den Muth gehabt haben, Alles zu ertragen, wenn Sie voraus gewusst, was Ihnen bevorstand? Die gütige Vorsehung verhüllte es mit einem Schleier. So hat der Vater im Himmel es wohl auch mit mir gefügt. Hätte ich das, was ich jetzt erlebe, noch vor zwei Jahren ahnen können, und wer sagt, was mir noch bevorsteht! Da tänzeln wir im Flügelkleide der Lust und sehen überall Sonnenschein und Wiesengrün um uns, während die Herbststürme schon heranziehen. Aber es ist in seinem unerforschlichen Rathschluß, daß wir nichts davon ahnen, um gesund zu sein und stark, wenn sie hereinbrechen.«
    Adelheid versuchte von einer besseren nächsten Zukunft zu sprechen. Der Ton ihrer Stimme verrieth, daß sie nicht daran glaubte.
    »Nein, liebes Kind, ich täusche mich nicht mehr; es ist vieles in diesen Tagen vor meinen Augen gerissen. Es ist nicht mehr, wie es war. Wohin ist unser Ansehen, wohin die Kriegszucht, wenn so kleine Derangements schon solche Unordnung bringen. Die Offiziere mussten ein Auge zudrücken. Wenn das die preußische Armee betrifft! Wie hat man uns belogen! Ich hörte Stimmen aus dem Volke –«
    »Wir sind hier nicht in Preußen.«
    »Auch in unserem Heere selbst. Ich hatte nicht geglaubt, daß unsere Offiziere so gehasst sind! Dieser Widerwille gegen die Junkerherrschaft! Und sah ich's nicht mit eignen Augen! Die Brutalität gegen die armen Menschen, und diese alten Generale, denen drei Mann helfen mussten, um aufs Pferd zu steigen. Die in Weimar lachten, unsere Soldaten verzogen auch den Mund. Der wackere Rüchel suchte es mir zu verbergen. Ach, er ist auch gefürchtet und gehasst –« »Desto allgemeiner verehrt und geliebt ist Seine Majestät der König.« – »Gott sei Dank! Aber auch ich bin verredet, gehasst, verleumdet.« – »Um Gotteswillen, Ihro Majestät, es ist nur eine Stimme der Liebe und Bewunderung –«
    Durch einen Lärm draußen wurden sie unterbrochen. Eine durchdringende Stimme hatte schon aus der Ferne ein wiederholtes Zurück! gerufen. Die Pferde, entweder scheu geworden oder angehalten, hatten eine Bewegung nach rückwärts gemacht, auch der Wagen war davon zurückgestoßen, als man das Fenster von innen niederließ. Ein staubbedeckter Reiter sprengte mit verhängtem Zügel ihnen entgegen. Sein Wehen mit dem Tuche hatten sie in den Staubwirbeln, die um ihnen aufflogen, nicht gesehen. Jetzt hielt er am Kutschenschlag. – Da kam ein Schrei aus dem Wagen. Der Anblick konnte wohl ein zartes Frauenherz

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