Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
Vom Netzwerk:
Talma dem neuen Kaiser im Ausdruck tragischer Affekte gebe. Er sah nicht den Gewaltigen vor sich, sondern den Schüler des Schauspielers. »Sire,« entgegnete er, »es ist die Taktik der Preußen, einen gewissen Angriff nicht abzuwarten, sondern ihm zuvor zu kommen.«
    Seine Majestät der Kaiser musste aus irgend einem Grunde auch diese Antwort nicht gehört haben. Er fuhr im vorigen Tone, als wäre gar nicht dazwischen geredet, fort: »Füsiliren ließe ich ihn, wäre ich Ihr König, wenn er noch lebte. Weiß Ihr König nicht, wie auf diesen Prinzen die Hoffnungen der preußischen Jakobiner gerichtet waren? Wer stand ihm dafür, daß sein Ehrgeiz nicht weiter ging? Von politischer Freiheit sprach er, er klagte, daß ich die liberalen Ideen ersticke – ich kann Briefe des Todten vorlegen – eine Krone wäre ihm nicht zu hoch gewesen, wenn seine Freunde sie ihm boten. Kennt Ihr König diese Freunde? Hab' ich umsonst die Jakobiner in Frankreich zertreten, damit sie in Preußen ihr Haupt erheben? Ihr König dauert mich. Er ist von Schwärmern und Jakobinern umgeben. Man will nicht sein Wohl, man will liberale Ideen. Ja, die will man!« – »Lasst die Todten ruhen!« sprach Bovillard. »Und die Weiber auch. – Mit toll gewordenen Frauen kämpfen müssen! Und man soll nicht in Harnisch gerathen! – Ich weiß Alles. – Warum ist die Königin bei der Armee? – Was thut eine Frau, wo die Waffen entscheiden? Ihre alten Generale sind außer sich. Weiber im Train, Weiber im Hauptquartier und eine Armee ist verloren. Ich sollte mich freuen. Nein, ich weiß, was sie soll. – Den König warm halten. Sie ist im Dienste Englands, von Alexander beschwatzt; sie ist die Hoffnung oder die Puppe der Schwärmer für Deutschland. Sie hat ihn angetrieben, sie das Feuer geschürt, sie ist die –« »Sire!« fuhr Bovillard auf, »muß ein Gefangener auf Alles schweigen!«
    Napoleons Schlachtroß war vorgeführt. »Gebt ihm die Briefe!« rief ihm der Kaiser, »und das schnellste Pferd aus meinem Stall.« Das Roß stampfte. Der Kaiser war so dicht an Bovillard getreten, daß die Gesichter sich fast berührten. »Junger Mann, die Sterne gehen ihren Lauf trotz der Weiberlaunen, und wehe, wenn in das Rad der Weltgeschicke eine Frauenhand greift. – Ich biete dem Könige von Preußen noch einmal meine Hand. Fliegen Sie mit dem Schreiben in sein Hauptquartier. Keinen Moment Rast, das Leben von Hunderttausend hängt an einem Haar. Dringen Sie zu ihm durch, selbst übergeben Sie ihm die Briefe, denn er ist von Verräthern umringt. Ich will den Angriff von Saalfeld, ich will Alles vergessen, aber keine Weiber zwischen uns. Die Königin muß fort. Sie bringen ihm, Ihrem Vaterlande Frieden, junger Mann. Rasch, ohne sich umzusehen, ohne zu athmen, wie der Blitz!«
    Das Schlachtroß bäumte sich unter dem Imperator. Der erste Kanonenschuß tönte dumpf aus der Tiefe, und in dem Augenblick ging die Sonne auf, eine unförmliche, bluthroth dunstende Kugel, den Herbstnebel färbend, der nicht weichen wollte. Auch des Imperators Haupt war einen Augenblick von ihr angeglüht, der Jubelruf seiner Garden schwellte in die Luft. In Louis Bovillard rief eine Stimme: »Dieser Sieger bringt der Welt nicht das Heil, er bringt ihr den Sieg der Lüge.«
    Kaum daß der Kaiser fortgesprengt, stand der schönste andalusische Renner vor der Thür, man hob ihn hinauf, vornehme Offiziere waren dabei geschäftig, man empfahl ihm dringend Eile, die Richtung, die er zu halten habe, rechts am linken Saaleufer fort, damit er aus dem Bereich der scharmutzirenden Parteigänger komme, dann müsse er nordwestlich nach der Gegend zwischen Weimar und Auerstädt sich halten, rasch direkt nach des Königs Hauptquartier. Der Kapitän geleitete ihn wieder bis zu den äußersten Vorposten. Las er die Fragen und Zweifel auf der Stirn des Entlassenen? Er flüsterte ihm zu: »Ein Emissär Napoleons, ein Herr von Montesquieu ist, wie ich eben hörte, von preußischen Parteigängern gefangen. Ihm könnte das Schicksal drohen, dem Sie entgingen. Die Großmuth ist vielleicht das Facit einer Rechnung. Gedenken Sie daran.« Das konnte es nicht sein! Auf einer Höhe hielt er einen Moment, um Athem zu schöpfen. Der mit Millionen Menschenleben spielte, konnte zu einem solchen Spiel in solchem Augenblick sich nicht gedrängt fühlen – um einen seiner Offiziere! Da hörten die einzelnen Signalschüsse auf, das Knattern der Tirailleure verstummte vor dem Krachen der Geschützsalven, es donnerte

Weitere Kostenlose Bücher