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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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dem Rasen gelagert. Der Ankömmling sog, hingestreckt, die Luft ein.
    »Nur nichts vom Aether in diesem Schwefeldampfe,« sagte er nach einer Weile. »Wenn die Welt bestimmt wäre unterzugehen, ich glaube nicht mehr, daß es in Feuer oder Wasser geschieht, sondern Gott Vater läßt sie ersticken in den Dünsten ihrer eigenen Gemeinheit. Es wäre eigentlich ein recht passendes Ende für sie.«
    »Mitgebrachte Gefängnißgedanken!«
    »Grillen, Schrullen oder Ungeziefer, wenn Du willst, denn als ein vernünftiger Mensch glaubst Du doch nicht, daß ich in dieser Societät eximirter Lumpen einen Gedanken aufgefangen hätte. Ja, hätten sie mich an eine Karre geschmiedet, unter den Baugefangenen giebt's vielleicht noch Menschen.«
    »Du solltest ins Gebirge, Dich baden in der Morgenluft, im Felsbach – Du solltest auf lange Zeit aus der Stadt.«
    »Alles Selbsttäuschung, Betrug, Walter! Freilich wenn Tieck uns Abends in dem verschlossenen halbdunkeln Kämmerchen seine Märchen vorlas, mochte ich den Waldduft herunter schlürfen, der Nixe mit den langen Haaren um den Nacken fallen, und die Allmutter Natur an meine Brust pressen; aber in natura ist's anders. – Bin ich nicht umhergestürmt! Die Sohlen habe ich mir abgelaufen, aber keine Nixe, nicht mal eine Hexe gefunden. Beim Morgenroth rufst Du Ah, und findest Dich in Odenstimmung, und Abends wirst Du empfindsam und könntest Matthisson mit seinem Zopf an die Brust drücken. Alles Illusionen! Sei redlich gegen Dich selbst. – Die Wahrheit sucht man doch, wo die Sonne am höchsten steht, und ich habe sie gesucht, rechtschaffen. Schlürfte alle Aussichten und meine Ansichten wurden immer enger. Am Ende kamen mir die zackigen Felsen da hinter Dresden, die wir Beide einmal bewunderten, nicht anders vor, als die gepuderten Köpfe unserer Kriegsräthe. Und mehr haben sie anch nicht zu schaffen mit dem Weltgeist, als daß sie roth werden im Morgenlicht und Abends Schatten werfen. Roth werden können unsere Puderköpfe freilich nicht mehr, aber wenn sie uns im Lichte stehen kann man sie wegschuppfen. Diese verfluchten todten Felsen bleiben aber immer stehen. Nein, Theuerster, die Romantik in Ehren, die Menschen bleiben doch wenigstens Puppen, mit denen man Schach spielen kann.«
    »Wenn wir nur stiegen könnten! Wenigstens so hoch wie die Lerche.«
    »Und ich möchte sie immer mit dem Pustrohr runter blasen. Da fliegt das Biest hinauf, schmettert uns Wunderklänge vor und kommt doch nie weiter als ins leere Blaue. – Ja, Walter, wenn man's recht besieht, kommen wir auch noch zum Schluß, daß die Natur nicht mehr ist als eine alte Vettel, Morgens und Abends geschminkt. Und weil sie sich bei Tage nicht besehen lassen will, sticht und brennt die Sonne.«
    »Nur daß die Schminke immer frisch bleibt, heut wie am Tag der Schöpfung.«
    »Wer sagt Dir das! Es hat Keiner gelebt, als Gott Vater auf den Einfall kam, diesen Spielball Erde zu erschaffen, und in das Uhrwerk Universum zu schleudern, damit er zu Ehre des Höchsten seinen Parademarsch um die Sonne kreist.«
    Der Ankömmling zog mechanisch die Gräser und Kräuter, die seine Hand ablangte, mit der Wurzel aus.
    »Suchst Du nach der Alraunwurzel?«
    »Könnte ich sie finden! Den allertiefsten Schmerz aus der Tiefe herausziehen, vielleicht würden uns die andern Schmerzen dann wie Bagatellen erscheinen.«
    »Der tiefste Schmerz müsste doch tödten. Darum verbarg ihn die Natur. Was wühlen wir denn nun tiefer und tiefer –«
    »Und spielen nicht lieber am Bach mit Vergißmeinnicht und Veilchen! Nicht wahr, das ist viel gescheiter. Wollen wir nicht etwa nach Halberstadt zum Vater Gleim, im Freundschaftstempel uns gegenseitig anräuchern und anfingen, Du mein Anakreon, ich Dein Tibull?«
    »Der höchste Schmerz wäre Selbstvernichtung, und zum Selbstmord schuf uns nicht die Natur!« rief Walter, ohne auf den Spott des Freundes zu achten.
    Louis hatte sich aufgerichtet und verbarg wieder das Gesicht in beiden Händen: »Ein Stück von der Alraunwurzel zog ich doch schon raus. – Wenn ich nur wüßte, ob dieser Wunsch Sünde wäre?«
    »Welcher?«
    »Wäre meine Mutter keine tugendhafte Frau gewesen!«
    Es folgte eine Pause: »Dein Vater ist nicht schlimmer als Tausende.«
    »Ist das ein Trost, daß ich eine Partikel bin von einer Partikel aus der allgemeinen Erbärmlichkeit.«
    »Er läßt Dir Freiheit.«
    »Er läßt aller Wett die Freiheit, so niederträchtig zu sein, wie sie Lust hat, damit er nicht schamroth zu werden

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