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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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Natur?«
    »Wenigstens spielt wieder Humor auf Deiner Stirn.«
    »Und in Deinen Augen glänzt ein Gedicht.«
    »Ich habe das Versmachen verschworen. Du weißt es.«
    »Aber, Walter, in solcher Natur! Ich müsste Dich ja nicht kennen. Ein tiefer See mit romantischen Ufern! Vielleicht kommen die Schwanenjungfrauen angeflogen, entkleiden sich, ihre Schleier hängen sie an die Hagebutten. Husch hast Du einen weggestohlen, und erwartest als frommer Siedler im Korn die Schöne, die als mediceische Venus um Gottes Willen um ein Stückchen Bekleidung bittet.«
    »Wir irrrten darin, das wir das Wunderbare immer in der Ferne suchten:
     
    Willst Du immer weiter schweifen,
    Sieh' das Gute liegt so nah!
    Lerne nur das Glück ergreifen,
    Denn das Glück ist immer da.«
     
    »Wie schon Goethes anderer guter Mann, der nach Schätzen gräbt:
     
    Und froh ist, wenn er Regenwürmer findet.«
     
    »Wer den Sinn für sie mitbringt, dem schwebt ihr Geist entgegen auch vom Thautropfen, der am Grashalm hängt, er wiegt sich in den Aehren, über die der Wind hinspielt.«
    »Er glitzert auch im Mistkäfer, warum gähnt er nicht auch in dem Frosch, der da unvernünftig weit über der Mummel das Maul aufsperrt. Sieh ihn an, welche tiefe Weisheitssprüche die Padde krächzt. – Und welche Weisheit bläht sich eben auf Deiner Brust. Es muß heraus, ich sehe es, und Du brauchst einen Zuhörer. Frisch losgelegt! Gleichviel, ob die Naturandacht als Predigt oder als Rhapsodie rausbricht. Die Gensd'armen sind noch im weiten Felde. Heraus denn, ein verschluckter Gedanke ist Gift.«
    Walter van Asten schien wirklich nur der Aufforderung zu bedürfen, den Gedankenstrom, der in ihm arbeitete, auszugießen:
    »Weil wir zu viel tranken, und seine üblen Wirkungen empfanden, sollen wir darum den Wein selbst ausgießen? Sollen wir zur Nüchternheit, zur Korrektheit zurückkehren? Thut der Gärtner recht, der lauter exotische Gewächse in seinem Garten ziehen wollte, und sie kamen nur zum Theil oder verkrüppelt fort, der darum alle ausreutet, und meint, der Boden tauge nur zu Kartoffeln? Legen wir doch das Geständnis ab, daß wir im Uebermuth, gelangweilt, und aus Verdruß über die ekle Schaalheit der Poesie, wie sie getrieben wird, uns in kecker Laune oft auf den Kopf stellten, und vom Publikum verlangten, es solle es mit uns thun. Wir fanden Anhänger und es ging eine Weile, wie alles Neue. Nun finden sie die Stellung unbequem. Ist das zu verwundern? Sollen wir aber alles darum als Visionen fahren lassen, was wir in der Begeisterung, in dem seeligen Rausche sahen? Hörten wir die Wälder, die Bäche nicht anders rauschen, als der Prediger in Werneuchen, blieben uns nicht andere Anschauungen in Natur und Kunst zurück, nicht die Schauer der Ahnung, das Wesen der Wunder, welche die Welt erfüllen? Wir kommen nicht fort ohne den Glauben daran, auch wenn wir uns mathematisch beweisen, daß es keine Hexenmeister giebt und keine Gespenster um die Grüfte schweben. Haben wir nicht Geister citirt, von denen unsere Väter nichts wussten? Wie anders, lebensfrisch schauen uns jetzt die Alten an, als die Philologen mit den Perrücken sie sahen? Lebt nicht der brittische Riese unter uns, ein geharnischter Geist, der unsere Theatermis
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re zertritt! Citirten wir nicht Dante, nicht Calderon aus seinem vergessenen Grabe? Diese können sie nie wieder todt machen, sie werden leben, und noch vieles mit ihnen, und wir mit Stolz sagen, wir wurden ihre zweiten Väter!«
    »Das ist alles recht schön,« entgegnete Louis. »Wenn die Geister nur Mark und Bein bekämen, wenn sie unseren Geheimräthen und Ministern einen Rippenstoß geben könnten, und einen Feuerhauch durch die Seelen unserer Philister jagen. Da es aber nicht ist, bin ich doch der Meinung Deines Gärtners, daß unser Boden nur zu Kartoffeln taugt. Sind sie nicht ein herrliches vaterländisches Gewächs, und Vetter Michel ein dito Mensch? Er grämt sich nicht, er schämt sich nicht, erträgt Fußtritte und Prügel wie der Esel, wenn er nur Kartoffeln hat, und item:
     
    Sag' mir nichts von gutem Boden,
    Nichts vom Magdeburger Land,
    Selig ruhen uns're Todten
    In dem leichten kühlen Sand.«
     
    »Vaterländisch!« fuhr Walter auf. »Und hat die Schule nicht gerade auch unsere eigensten, zertretenen, vergessenen Schätze deutscher Vorzeit aus dem Staub und Rost ans Licht gezogen? Was kannten wir davon! Einzelne Aeolsharfentöne der Minnesänger. Ging nicht eine deutsche Urwelt uns auf im Nibelungenliede? Du

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