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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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braucht.«
    »Das ist ein hartes Wort,« dachte Walter, und auch Louis mußte es denken, denn er war rasch aufgesprungen und reichte dem Freunde die Hand: »Adieu!«
    Walter umfasste seinen Arm, er wollte ihn in der Aufgeregtheit nicht von sich lassen: »Du verwünschest Dich selbst. Ich bin nicht zum Moralprediger geboren, aber – Du warst es zu besserem.«
    »Was kann man denn besseres thun in dieser Gesellschaft, als sich selbst verwüsten! Trinken, und wenn man erwacht, wieder trinken. Sind nicht alle Edleren dazu bei uns verdammt? Tadelst Du den Prinzen, daß er den Schaumbecher nicht von der Lippe läßt, daß er wenigstens den Jammer nicht mit ansehen will, wo er nicht helfen darf? Lieber doch berauscht untertauchen und rasch, als nüchtern zusehen, wie wir Zoll für Zoll im Morast versinken. Oder wo ist denn die Kraft, die nach Besserem ringt, wo nur ernster Wille? Der gute, zahme, bescheidene da, der sich nicht mehr ganz von den Schlechten von ehemals will leiten lassen, aber auch nicht ganz mit ihnen zu brechen wagt? Die beschrankte, duckmäuserige Tugend, die sich den Himmel malt an ihre vier Wände, aber der Himmel draußen ist ihr zu frisch und kühl. Sturmwind ringsum, nur aufspannen, nur zusteuern brauchten wir, und mit vollen Segeln triebe das Kriegsschiff – prost Mahlzeit! Man kettet das Steuer an, umwickelt die Ruder und lavirt. Das ist eine berauschende Kunst. Soll ich mich auch anlernen lassen? Bei wem? Bei meinem Vater? Staatsdienst! Herrliche Menschenbestimmung! Dein Vater predigt es Dir ja wohl auch täglich: lass Dich anstellen. Wollen wir uns polnische Krongüter schenken lassen? Die sind schon weggeschnappt. Wollen wir mit den Juden und Domainenräthen die Guter taxiren und Hypotheken verschreiben, die ihren Werth im Monde haben? 'S ist auch schon zu viel drin gepfuscht. Lieferanten für die Armee, aber es giebt keinen Krieg! Oder uns üben, solche süßgänseschmalz-honigduftenden Cabinets-und Humanitätsdecrete schreiben, die beweisen, daß Gott, der König, seine Minister und Regierungsräthe alles mit Weisheit und Verstand gemacht haben? Himmel und Hölle! wem nun anderes Blut in den Adern pulst! – Die schönen Verse, die hochedlen Charaktere des großen Dichters auf der Menschheithöhen! Schlugen wir ihnen nicht oft in mitternächtlicher Lust den Schädel ein und sahen, daß es nur Masken waren! Gieb, zeig, schenke mir was, wofür ich mich begeistern, was ich ans warme Herz drücken kann, wofür es in Flammen aufschlägt, wofür ich mich in die Schanze oder in den Tod stürze. Fähndrich Pistol ist mein Philosoph, wenn er die Welt doch noch für eine Auster hält. Leider fehlt aber das Schwert jetzt sie zu öffnen. Lass' mich rasen.«
    »Ich hätte gar nichts dagegen, wenn Du ein rasender Roland würdest und Dich einmal zum Tollwerden verliebtest. Du bedarfst einer Radikalkur.«
    Louis Bovillard lachte: »In diese Mücken! – Schaffe mir was anderes. Schaffe mir ein Vaterland. Das, das! Vielleicht war ich ein anderer!«
    Er spuckte, und ohne sich noch einmal umzudrehen ging er sein Pferd suchen, das gemüthlich im Kornfelde seinen verzehrenden Meditationen nachhing.
    »Ein Vaterland!« wiederholte Walter. Es war ein Funken, der viele Gedanken zündete, aber es waren nicht die Gedanken, um die er heut die Einsamkeit gesucht. Er stand mit unterschlagenen Armen, seine Augen schienen die Würmer im Grase zu verfolgen, und er hörte nicht, wie sein Freund zurückgekehrt war, diesmal den Gaul am Halfter, und ihn vorsichtig um den Rand des Sees führte. Er hörte erst, als Louis seinen Namen rief:
    »Was sinnst Du? Bei Dir hat die Romantik noch nicht einmal ganz durchgeschlagen, während ich sie abschüttele. Du weißt den Zerbino auswendig, und ich wette, Du schwärmst wieder für den Kieferbusch drüben auf dem Sandhügel.«
    »Und warum nicht? Tieck hat Unrecht, wenn er die Lust schilt, die sich auch aus dem Unbedeutenden Nahrung sucht. Gerade das führt uns zur Vaterlandsliebe, die Du suchst. Aber was führt Dich zurück?«
    »Der Anblick einiger Herren von der Gensd'armerie, die mein scharfes Auge vom Gaule aus in der Ferne entdeckte. Um nicht ihnen zu begegnen, stieg ich ab, und will mich durch einen Fußsteig schlängeln. Auch auf die Gefahr hin, daß der Bauer uns pfändet. Nun, bewunderst Du nicht meine Vernunft?«
    »Wenn ich nicht wüsste, daß Du bei nächster Gelegenheit doch wieder mit ihnen zusammenstößest.«
    »Das ist mein Fatum. Konnte Mercutio für seine

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