Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
lächelst weil die Thoren lachen. Wir erfuhren, unser Volk hat gelebt, wie die Griechen durch die Iliade wussten, daß sie gelebt, daß ihre Väter groß und herrlich waren, ehe es eine Geschichte gab. Das wussten wir nun auch, daß Krimhilden und Siegfriede, daß Günther und Hagen unserer Geschichte vorangingen. O welchen Born der Sage die Romantik uns erschloß! Jetzt verstehen wir erst, nicht aus den nüchternen Chronisten, welch ein Volk wir waren unter den Hohenstaufen. Im alten Kyffhäuser schläft nur der Kaiser seiner Herrlichkeit, und die Raben krächzen um seine Trümmer, und die Geister warten auf seine Erweckung. Das, Louis, hat uns die Romantik enthüllt, der Du einen Fußtritt geben willst, weil sie nur Trugbilder zeigt, und Du willst Realitäten. Was hatten die Juden mehr von Palästina als ein Traumbild? Das Traumbild weckte einen Moses. Laß einen Moses erweckt sein, und wir haben wieder ein deutsches Volk, eine deutsche Herrlichkeit. – Vielleicht, daß wir's darin versahen,« schloß der Aufgeregte, »wir machten aus der ungeheuren Sage nur für uns ein Spielzeug; aber Andere mögen nach uns kommen, die unserm Volke diese gewaltigen Bilder anders hinhalten, einen kolossalen Spiegel vor dem unsere Erbärmlichkeit erschrickt – und sie können sich ermannen, können besser werden, wenn –«
»Wenn ein Moses geboren wird!« fiel Louis ein, drückte rasch Waltern die Hand und riß sein Pferd in den Fußsteig. »Da liegt es!« tönte noch seine Stimme aus dem Korn. »Einen Moses! Nur ein Moses! Die Juden und die Ziegelstreicherknechte sind immer da.«
Walter lag wieder in der Hagebutte.
»Wenn er einen anderen Vater hätte, ein anderes Vaterland!« Waren das nicht Streiflichter des ewigen Schmerzes, für den es keine Heilung giebt? Waller starrte auf den Wasserspiegel. Auch die Frösche lagen wie matt von der Hitze auf den breiten Blättern der Wasserlilie, regungslos. »Ein Moses!« Wo sollte der Moses herkommen, wenn auch über den Wassern nicht mehr der Athem Gottes schwebte? Wenn die Verstockung auf dem Element, das die Erde umgürtet, sich niedersenkt? Nein, es war nur die schwüle Luft. Die Augen fielen ihm zu, und die Natur übte ihren beschwichtigenden Zauber über die finsteren Gedanken. Die Falten verzogen sich um seine Brauen, der Mund fing wieder an zu lächeln, und man konnte denken, daß Traumbilder aus einer glückseligen Welt um seine Schläfen spielten.
Waren das auch Erscheinungen seiner Phantasie, die blühenden Mädchenköpfe im Korn? Schossen Elfen auf zwischen den Aehren? Der Hagebuttenstrauch im Korn, der grüne Rain, der die Felder trennt, ist ja ihr Spielplatz. Hier führen sie Reigentänze, hier stampfen ihre zierlichen Füßchen die Ringelkreise, die der Landmann am Morgen findet, und der Abendthau fiel noch auf frisches Gras. Aber schnell, wenn ein Späherauge sie entdeckt, verschrumpfen sie, hängen sich an den Ginsterstrauch, sie klettern in die Hagebutte. Der Wind scheint in den Blättern und Zweigen zu spielen, aber es sind ihre leichten Körper, die sich daran schaukeln.
Diese verschwanden nicht.
Die Eine, eine schmächtige Brünette von dunkeln, aber etwas umflorten Augen, mit einem getrübten Blick. Die rothen Mohnblumen, die ihre losen Blätter im schwarzen Haar flattern ließen, passten zu der Gestalt, dem melancholischen Gesicht. Eine Else, die den Einen unwiderstehlich anziehen mochte, den Andern zurückstoßen. Die andere, kleinere, rundliche, ein nußbraunes Mädchen, mit Schelmengrübchen um die Wangen und lachenden Schelmenaugen; wie wohl stand ihr der Kranz von Kornblumen, Aehren und Mohn im Haar.
Aber die Dritte, die Elfenkönigin, Wie frei schaute ihr blaues Auge, blau wie die Kornblumen, blau wie der Himmel, aus der freien Stirn. Wie leicht bewegte sie sich, wie anders athmete sie die Luft ein; nicht als gehöre die Welt ihr, aber als nehme sie freudig ihren Tribut hin von Licht und Luft, von Farbe und Athem. Und wie hatten die andern, das konnte sie nicht selbst gethan haben, die Felder geplündert, um die eine auszustatten! Ein dichter Kornblumenkranz war auf ihr blondes Lockenhaar gedrückt, und eine Mohnblume, aber keine rothe, die hätte nicht hierher gepasst, eine seltene volle weiße, glänzte als Diamant über ihrer Stirn. Eine andere Guirlande von Kornblumen hing wie eine Schärpe um ihren Nacken, und auch den Abwurf des Kleides hatten sie mit allen bunten Blumen, die als scheckiges Unkraut zwischen den Aehren blühen, besetzt. Eine
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