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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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nur durch unarticulirte Laute, nachahmend den Gesang der Hühner durch ein Kikeriki! oder noch unbegreiflicher durch ein sogenanntes Kukuksgeschrei.«
    »Ist's die Möglichkeit!« rief die Obristin.
    »Ja, von einem der Herren Offiziere, bei denen man doch Bildung annehmen sollte, hörte ich den unanständigen Ausdruck: ›Pfaff' und Pfäffchen!‹ Und Einer rief: ›Gefällt's Dir im Kukukssneste?‹ Wird mir doch in der That bange, denn der Pöbel fängt auch schon an mit zu krähen und die Nachbarn reißen die Fenster auf. Soll ich nun zur Polizei schicken oder erlauben Sie mir, daß ich hier ans Fenster trete, wo sie mich besser hören können, und ihnen recht eindringlich ins Herz rede, wie ihr Betragen sich besser zu Sodom und Gomorrha schickt, als der Residenzstadt unseres Königs?«
    »– Sodom und Gomorrha! Da haben Sie recht, das ist das richtige Wort!« rief die Obristin, erfreut, an ein Wort sich klammern zu können, das sie für den Augenblick aus einer Verlegenheit riß, die, wie man an ihrem Zittern wahrnehmen konnte, schon peinlich geworden. Wie sie sich herausriß, war ihr gleichgültig. »Sodom und Gomorrha, Herr Prediger. O, Sie werden unsere Stadt noch anders kennen lernen. Aber um Gottes Willen nicht die Polizei! Nicht zehn rechtschaffene Menschen unter tausend. Aber nicht die Polizei. Wer sich die auf den Hals ladet, sehen Sie –« Sie hatte in ihrer Angst das Tuch hin- und hergewickelt, bis sie's Jülli zuwarf mit dem Befehl, es ordentlich zu legen, daß es das Fräulein umschlagen könne, und hatte damit schnell einen neuen Ausweg gefunden. – »Sehen Sie, Herr Prediger, das ist's, ein reines pures Mißverständnis. Sehen Sie, Herr Prediger, das Tuch hier, weil's so kokliko roth ist – hier giebt's nicht solche – müssen die Mädchen damit 'rum schmeißen, gegen's Fenster – das haben sie für 'nen Affront angesehen, die Herren Kavalleristen – warum, das weiß der liebe Himmel! Was sehn die nicht für 'nen Affront an, wenn ein ehrlicher Bürgersmann was thut – Sie wissen ja vom Lande, man darf kein roth Tuch aufhalten, dann fliegt das Federvieh – und rothe Federbüsche haben sie – alles, lieber Herr Prediger, nur nicht die Polizei! Und die Herren Offiziere sind, im Grunde genommen, seelensgute Menschen. Nur Jugend! Jugend muß man austoben lassen. Aber nur nicht die Polizei! Soll Ihnen auch Keiner ein Haar krümmen, lieber Herr Prediger, jetzt erlauben Sie, will Sie in ein Dachstübchen schaffen, hinten raus, und Ihre Mamsell Töchter, die lieben Mädchen, wie mögen sich die erschrocken haben, da soll Sie auch keine Seele finden. Denn das Soldatenvolk ist grausam boshaft oft gegen die Herren Geistlichen, ach, und die Herren Offiziere auch, aber unser herzensguter König wird sie schon besser machen. Und heut Abend kommen sehr vornehme Herren vom Hofe her; da wollen wir Alles arrangiren, ganz nach Ihrem Belieben! Nur nicht die Polizei!«
    Der Herr Prediger fand sich von der Frau Obristin hinauskomplimentirt, er wusste so wenig warum, als Adelheid den Zusammenhang verstand, und noch weniger, warum die beiden Nichten, die mit ihr allein geblieben, in ein Kichern ausbrachen. Sie fragte nach dem Grunde. Karoline wollte vor Lachen platzen und drehte sich auf dem Hacken. Jülli aber umarmte von hinten Adelheid und drückte einen Kuß auf ihre Schultern: »Ach 's ist besser für Dich, daß Du das nie erfährst.« – Adelheid schlang den Arm um ihren Nacken und sagte leise: »Das musst Du mir das nächste Mal sagen, wenn wir uns wiedersehen.« – Jülli drückte hastig einen Kuß auf die schönen Lippen: »Du darfst uns nie wiedersehen. Adieu auf immer!«
    Im selben Augenblick hatte Karoline das Tuch um Adelheids Nacken geschlungen. Sie musste eine besondere Geschicklichkeit darin besitzen. In antikem Faltenwurf fiel es von der einen Schulter, während die Kleine mit verstohlener Schnelligkeit ihr das Kleid von der andern herabzog: »Nun sieh Dich in den Spiegel! Das ist Venus, wie sie leibt und lebt, da auf dem Bilde!«
    Adelheid sah in den Spiegel und erröthete, als sie den kleinen Betrug entdeckt. Es war ein schöner Anblick, sie musste es sich selbst sagen. Sie hob eben die Hand, um ihren Anzug zu ordnen, als – sie noch etwas anderes im Spiegel sah.
     
Neunzehntes Kapitel.
     
Der Sturm bricht los.
    Eine Thür ging auf, und ein junger Mann trat ein. Sein wild schönes Auge, trüb und wüst, wie eines Trunkenen, der eben aus dem Schlaf erwacht, die Haare verstört. Die

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