Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
dürfen. Vorhin begegnete ich Ihrem Herrn Vater, dem Kriegsrath, und er erlaubte mir, diese Bitte an Sie zu richten. Wenn ich Ihre Zustimmung habe, vergönnen Sie mir nur einige Momente mit Ihrer würdigen Wirthin.«
Das Zwiegespräch in der Fensternische ward sehr leise geführt. Mit der süßesten Miene flötete St. Real der Frau ins Ohr: »Sie unverantwortliches Plappermaul! Jetzt, auf der Stelle, wiederhole ich Ihr, schaff' Sie die Predigerfamilie fort!« Wie zutraulich drückte er dabei ihre Hand, und wie war sie erfreut über dies Zeichen von Vertrauen, und bat ihn, ihr ja diese gütige Gesinnung zu bewahren. »Weiß Sie, was der König thut, wenn er's erfährt?« Dabei klopfte er ihr zutraulich auf die Schultern. – »Nur bis morgen, gnädigster Herr, ich kann sie ja doch nicht auf die Straße schmeißen.« – »Durch den Büttel lässt er Sie aus der Stadt peitschen, und Sie hat's verdient, Sie unverschämtes Mensch!« – »Zu gütig!« – »Ihre Zunge müsste man Ihr mit glühenden Zangen ausreißen, denn sie geht mit Ihr durch, weiß Sie, bis wohin – bis zum Galgen, und Sie hat ihn verdient.« – »Nein, mein Herr Kammerherr sind doch die Obligeance selbst, und nun wollen Sie uns auch die Mamsell Kriegsräthin entführen. Ganz nach Ihrem Kommando.«
»Man hat sich kaum gefreut, so soll die Adelheid schon wieder fort,« sagte Karoline. »Jülli aber sagte, es sei wohl gut, es scheine ihr ein Gewitter aufzusteigen, daß sie das nicht noch überraschte. Sie sah dabei aber ängstlich nach der Thür zum Seitenzimmer. Der Kammerherr meinte, ein Gewitter wäre nicht im Anzuge, es sei dafür zu kühl, aber ein Sturm und Regen. Er fragte, ob Adelheid nur das dünne Umschlagetuch habe?« – »O, wir leihen ihr ein andres,« sagte Jülli. »Ach das rothseidne der
chère tante!
« rief Karoline. »Adelheid hat's ja noch nicht gesehen. Das ist ja wahr! – Wie prächtig wird sie darin aussehen. Und das hält warm! –«
Der Kammerherr nickte der Obristin zu, sie möge das Fräulein nur recht warm und schön anziehen. Dann ging er hinaus, um nach dem Wagen zu rufen, sagte er. Es mochte aber auch sein, um nicht bei der Toilette zu stören, oder um sich nach dem Lärm zu erkundigen, den man auf der Straße hörte. Ein Reiterregiment ritt vorüber, aber es schien, als ob sie Halt machten, und man hörte Gelächter und Rufen.
Die Obristin hatte das viel besprochene Tuch vom Malayenlande aus der Kommode geholt, als sie im Vorübergehen einen Blick aus dem Fenster warf: »Was das nun wieder ist! Sind doch die Herren Gensd'armen nur da, um Unfug mit ehrlichen Leuten anzufangen!« Sie breitete das Tuch aus, und es glänzte in so köstlichem duftendem Roth, daß Adelheid selbst ein unwillkürliches Ach! ausrief.
Man hing es ihr um, man zog sie vor den Spiegel. Zuerst als wallender Talar. Die Obristin schien darin wirklich geschickt: »Du meine Güte, wie eine Opferpriesterin!« – »Wie eine Königin!«
Der Lärm draußen wurde lauter; kein Aufruhr, aber ein wüstes Gelächter. Man rief Spottnamen hinauf; es schien, als ob von oben geantwortet würde. Darauf ein noch ausgelasseneres Gelächter, und einzelnes gellendes Pfeifen. Die Tante beschwor die Nichten, sich vom Fenster fern zu halten. Sie nahm das Tuch wieder ab, um es anders zu drapiren, als man Jemand die obere Treppe hastig herabkommen hörte, und die Thür aufklinkte. Die Obristin schien ein anderes Gesicht zu erwarten, als das etwas ängstliche, welches zur halb aufgestoßenen Thür hereinsah. Die Päffchen über der schwarzen Weste verriethen einen Geistlichen. Der geblümte Schlafrock und die lange Pfeife, welche die halbzugehaltene Thür verbergen sollte, und doch nicht verbarg, hätten sich auch zu jedem guten Bürger geschickt, dem häusliche Behaglichkeit über alles geht.
»Haben Sie gehört, verehrteste Frau Obristin?«
»Ach, mein allerbester Herr Prediger!«
»Bitte tausend Mal um Vergebung, wenn ich derangire, insondern wegen meiner Toilette. Aber das ist ja nicht zum Aushalten!«
»Ist Ihnen was arrivirt?«
»Ich sehe ja nur zum Fenster hinaus, und meine Töchter neben mir, und rauche ganz in Frieden mein Pfeifchen, als Einer der Herren Offiziere mit dem Arm nach mir weist, ich weiß noch nicht, warum, und darauf strecken Alle die Hälse und heben mit einem Aha! ein schallendes Gelächter an. Sagen Sie mir, was man da zu thun hat. Ich habe zwar einige Worte an sie gerichtet, sehr freundlich und zurechtweisend, sie antworteten mir aber
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