Ruhe unsanft
wenigstens, wer angerufen hat! Ein Mann?… Nein, ich versichere Ihnen nochmals, ich war es nicht. Mer k würdige Sache, da stimme ich Ihnen zu.«
Giles legte auf und kam zum Tisch zurück.
»Da haben wir’s!«, sagte er. »Jemand, der sich für mich ausgab, hat Afflick angerufen und für heute Nachmittag herbestellt. Es handle sich um eine große Summe und sei dringend.«
Sie sahen sich ratlos an. Dann sagte Gwenda plötzlich: »Jeder von den beiden hätte das Telefonat selbst vera n lassen können. Jeder von ihnen hätte Lily ermorden und als Alibi zu uns kommen können.«
»Das dürfte kaum eines sein, meine Liebe«, warf Miss Marple ein.
»So meinte ich es auch nicht. Aber es war ein Vorwand, um aus dem Büro verschwinden zu können. Ich glaube, dass der eine lügt und der andere die Wahrheit sagt. Der eine hat den andern angerufen und herbestellt, um den Verdacht auf ihn zu lenken. Wir wissen nur nicht, we l cher. Jedenfalls ist jetzt klar: Der Mörder ist entweder Fane oder Afflick. Ich tippe auf Afflick.«
»Ich eher auf Fane«, sagte Giles.
Sie blickten fragend auf Miss Marple, die den Kopf schüttelte und sagte:
»Es gibt noch eine andere Möglichkeit.«
»Natürlich! Erskine!« Giles rannte beinahe zum Telefon.
»Aber Giles, der sitzt doch in Northumberland. Er kann Lily heute Nachmittag gar nicht ermordet haben. Dazu brauchte er zumindest einen Hubschrauber!«
»Wir werden ja sehen, ob er wirklich zuhause ist. Wenn nicht… Moment, wo ist die Nummer?« Er blätterte in seinem Notizbuch und wählte sorgfältig. Nach wenigen Sekunden zuckte er etwas zusammen und räusperte sich nervös.
»Oh, Major Erskine – sind Sie’s? Entschuldigen Sie, ich wollte nur…«
Er warf Gwenda einen gequälten Blick zu, in dem deu t lich zu lesen stand: Verdammt, was soll ich jetzt sagen?
Gwenda erhob sich und nahm ihm den Hörer aus der Hand.
»Hallo, Major Erskine! Hier Mrs Reed. Wir – wir haben von einem Haus in Ihrer Gegend gehört. Es heißt – ach ja, ›Linscott Brake‹. Kennen Sie es zufällig? Können Sie es empfehlen?«
»›Linscott Brak‹?«, wiederholte Erskine am anderen E n de. »Nein, nie gehört. Wie ist die genaue Adresse?«
»Die kann ich leider nicht entziffern – gerade da ist der Durchschlag vom Makler völlig verschmiert. Es soll u n gefähr fünfzehn Meilen von Daith entfernt sein, und…«
»Tut mir sehr leid. Von dem Haus habe ich nie gehört. Wer wohnt denn dort?«
»Oh, es steht zurzeit leer. Nun, es ist nicht so wichtig, wir sind eigentlich schon zu etwas anderem entschlossen. Entschuldigen Sie die Störung. Sicher habe ich Sie aus einer Arbeit gerissen.«
»Halb so schlimm. Im Moment höchstens aus der Hausarbeit. Meine Frau ist verreist, und die Köchin mus s te plötzlich zu ihrer kranken Mutter. So muss ich selber Geschirr spülen und so was. Gartenarbeit ist mir lieber.«
»Das kann ich Ihnen nachfühlen. Ihre Frau ist doch hoffentlich nicht krank?«
»Nein, nein, sie besucht nur ihre Schwester. Morgen kommt sie zurück.«
»Nun, dann gute Nacht und vielen Dank.« Gwenda le g te auf und wandte sich triumphierend an Miss Marple und Giles: »Erskine scheidet aus. Seine Frau ist verreist, und er plagt sich allein mit dem Haushalt ab. Somit ble i ben nur die beiden anderen als Täter übrig, nicht wahr, Miss Marple?«
Miss Marple machte ein ernstes Gesicht.
»Mir scheint, meine Lieben, Sie haben noch nicht gründlich genug über die ganze Sache nachgedacht. O Gott – ich mache mir wirklich Sorgen. Wenn ich nur wüsste, was ich tun soll…«
24
G wenda stützte die Ellbogen auf den Tisch und das Kinn in die Hände und ließ die Augen u n lustig über die Reste des hastig gegessenen Mi t tagessens schweifen. Eigentlich sollte sie das schmutzige Geschirr in die Küche tragen, a b waschen, aufräumen und sich überlegen, was es zum Abendessen geben würde. Aber so eilig war es auch wieder nicht. Sie brauchte etwas Zeit, um mit sich ins Reine zu kommen. In den letzten Stunden hatten sich die Ereignisse übe r stürzt. Inspektor Last war ziemlich früh, um halb zehn, auf der Bildfläche erschienen, z u sammen mit Kriminalinspektor Primer vom Präsidium und dem Chef der Grafschaftspol i zei. Letzterer hatte sich bald verabschiedet. I n spektor Primer war mit der Untersuchung des Mordfalles Lily Kimble und allem, was damit zusammenhing, beauftragt.
Es war auch Inspektor Primer gewesen, ein Mann mit trügerisch freundlichem Benehmen und ebensolcher Stimme, der
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