Ruhe unsanft
packen würde, wenn sie durchbrennen wollte. Denn von der verkehrten Kleiderauswahl hat auch Edith Pagett gesprochen. Dies ist also eine Tatsache. Eine andere: Dr. Penrose erzählte uns, dass Kelvin Halliday glaubte, von seiner Frau heimlich unter Drogen gesetzt zu werden, und ähnliche Andeutungen stehen auch in dem hinterla s senen Tagebuch. Ein sehr merkwürdiger Punkt, nicht wahr? Aber lassen wir ihn noch beiseite. Ich wollte nur betonen, dass viele Ihrer Schlussfolgerungen auf dem beruhen, was man Ihnen erzählt hat; und sicherlich sehr glaubwürdig erzählt hat.«
Giles nickte zögernd, und Gwenda, die jetzt wieder eine frische Gesichtsfarbe hatte, nippte an ihrem Kaffee. Dann nahm Giles erneut das Wort auf:
»Also überprüfen wir noch einmal die Aussagen der drei Verdächtigen. Erskine sagte…«
»Du hast anscheinend was gegen ihn«, unterbrach ihn Gwenda. »Ich finde, das ist Zeitverschwendung. Er ist endgültig aus dem Spiel. Lily Kimble kann er nicht e r würgt haben.«
»Er erklärte«, fuhr Giles unerschütterlich fort, »dass H e len und er sich auf der Reise nach Indien kennen gelernt und ineinander verliebt haben. Da er es nicht fertigbrac h te, Frau und Kinder zu verlassen, kamen sie überein, sich zu trennen. Angenommen, er liebte sie bis zur Verzwei f lung, und es war Helen, die sich weigerte, mit ihm durc h zubrennen. Angenommen, er drohte, er würde sie u m bringen, wenn sie heiratete.«
»Höchst unwahrscheinlich«, sagte Gwenda.
»So was kommt vor. Denk daran, was für ein Gespräch du zwischen den Erskines belauscht hast. Du schobst alles auf ihre Eifersucht, aber sie könnte die Wahrheit gesagt haben. Vielleicht hat Mrs Erskine wirklich Schrec k liches mit ihm durchgemacht, was Frauen betraf. Es kann doch sein, dass er weibstoll ist.«
»Das glaube ich nicht.«
»Ja, weil er den Frauen gefällt. Ich persönlich finde ihn etwas seltsam. Also, mal sehen, was wir gegen ihn haben. Helen hat damals seinetwegen die Verlobung mit Fane gelöst und dann deinen Vater geheiratet. Sie ziehen nach Dillmouth. Und plötzlich taucht Erskine auf, angeblich, um ein paar Ferienwochen mit seiner Frau hier zu verbringen. Das ist doch sehr merkwürdig. Er gibt zu, dass er Helen wiedersehen wollte. Angenommen, dass Erskine der Mann war, zu dem Helen jene Worte sagte, die Lily von der Halle aus belauscht hat. Dass das nicht mehr normal sei, sie sich fürchte und endlich in Ruhe gelassen werden wolle. Und eben weil sie Angst hat, plant sie auch, nach Norfolk umzuziehen, aber vorläufig soll es niemand wissen, vor allem die Erskines nicht. Soweit passt alles lückenlos ineinander. Nun kommen wir zu der Schicksalsnacht. Was das Ehepaar Halliday am früheren Abend gemacht hat, wissen wir nicht…«
Miss Marple räusperte sich.
»Vielleicht kann ich helfen – ich habe nämlich inzw i schen noch einmal mit Edith Pagett gesprochen. Sie eri n nert sich, dass an jenem Abend besonders früh gegessen wurde, weil der Major noch in den Golfclub wollte – zu einer Vorstandssitzung, sagt sie. Auch Mrs Halliday ging gleich nach dem Essen aus dem Haus.«
»Aha. Deshalb ist Helen allein am Strand, als sie Ersk i ne trifft. Möglicherweise hatten sie sich verabredet. Seine Abreise ist auf den nächsten Tag festgesetzt. Vielleicht will er nicht fahren und bedrängt Helen, mit ihm zu fli e hen. Er weicht bis zum Haus nicht von ihrer Seite und in einem Verzweiflungsanfall erdrosselt er sie. Dann ve r sucht er, die Schuld auf den verhassten Kelvin Halliday abzuwälzen, schleppt die Leiche hinauf und begräbt sie erst später im Garten – alles, wie wir es uns bereits vorg e stellt haben. Gwenda gegenüber hat er ja sogar zugeg e ben, dass er erst nach einem langen Spaziergang spät ins Hotel zurückgekehrt ist.«
»Ich frage mich«, sagte Miss Marple, »was seine Frau in der langen Wartezeit gemacht hat.«
»Wahrscheinlich verrückt geworden vor Eifersucht«, sagte Gwenda. »Und wie eine Furie auf ihn losgefahren, als er endlich kam.«
»Jedenfalls hat meine Rekonstruktion des Falles viel Wahrscheinliches für sich«, sagte Giles.
»Aber Erskine kann Lily Kimble nicht erwürgt haben, weil er in Northumberland wohnt. Es ist also reine Zei t verschwendung. Gehen wir zum nächsten über, zu Walter Fane.«
»Gut. Walter Fane ist der Typ des Unterlegenen, des Zurückgesetzten, nach außen hin sanft und freundlich und leicht zu lenken. Aber da hat uns Miss Marple eine wertvolle Information verschafft: Als Kind hätte er in
Weitere Kostenlose Bücher