Ruheloses Herz
»Brian hatte es richtig gesehen. Dieses Pferd muss laufen. Er ist dafür geboren. Ich wollte ihn retten, aber Brian wusste, dass das nicht reicht. Manchen reicht es eben nicht, einfach nur davonzukommen.«
»Das habt ihr beide zusammen geschafft.«
»Ja, du hast recht.« Sie lachte ein bisschen, als ihr ein Licht aufging, so klar, dass sie sich fragte, warum sie es bisher nicht gesehen hatte. »Völlig recht.«
Keeley hatte den Reitunterricht ausfallen lassen. Weil heute eine Art Feiertag war, wie Keeley sich sagte. Ein Tag, an dem Mitgefühl, Einfühlungsvermögen und harte Arbeit gefeiert werden sollten. Es war nicht nur Finnegans Rückkehr auf die Rennbahn, sondern auch Bettys erstes wichtiges Rennen.
Keeleys Eltern hatten vor, ebenfalls zu kommen, genauso wie Brendon.
Wenn es je einen Anlass gegeben hatte, die Schule zu schließen, dann diesen.
Sie machte sich bereits bei Sonnenaufgang auf den Weg zur Rennbahn, wo sie es auskostete, dem Morgentraining zuzuschauen, zu hören, was für Wetten abgeschlossen wurden, und zu spüren, wie sich die Spannung in ihr aufbaute.
»Man könnte fast glauben, es ginge um das Derby, so aufgeregt bist du«, bemerkte Brendon, während er mit ihr zu den Reitställen zurückging.
»Er ist mein erstes Rennpferd. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass er auch mein letztes sein wird. Ich werde jeden Augenblick davon genießen, und trotzdem … meine Leidenschaft ist es nicht. Nicht so wie deine und Dads. Und sogar Mas.«
»Du hast deine ganze Leidenschaft in deine Reitschule gesteckt. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass du irgendwann aufhörst, an Turnieren teilzunehmen.«
»Ich auch nicht. Genauso wenig wie ich mir je hätte vorstellen können, dass es etwas gibt, das ich als ebenso befriedigend und herausfordernd empfinde.«
Sie blieben stehen und schauten den Pferden entgegen, die vom Morgentraining zurückgebracht wurden.
Die Pferderücken dampften ebenso wie die Wannen mit heißem Wasser, die man vor den Ställen aufgestellt hatte.
Hotwalker kamen herbeigeeilt, um die Pferde abzukühlen, Stalljungen und Pferdepfleger warteten auf ihren Einsatz. Irgendjemand spielte auf einer Mundharmonika ein wehmütiges Lied, zu dem der auf den Amboss niedersausende Hammer des Hufschmieds den Takt angab.
»Sie zum Sieg zu bringen ist deine Aufgabe«, sagte Keeley ein bisschen später zu Brian, wobei sie auf Betty deutete, die eben vorbeigeführt wurde. »Ich bin glücklich, einfach nur zuschauen zu können.«
»Ach ja? Und warum bist du dann schon so früh hier draußen?«
»Einer guten alten Familientradition folgend, werde ich mich heute während des Rennens um Finnegan kümmern.«
Davon hatte Brian bis zu diesem Zeitpunkt nichts gewusst, und es gefiel ihm ganz und gar nicht. »Reitstallbesitzer kümmern sich nicht um die Pferde. Sie sitzen auf der Tribüne oder im Restaurant. Sie halten sich raus.«
Keeley fuhr fort, Finnegan mit Stroh abzureiben. »Wie lange arbeitest du jetzt schon auf Royal Meadows?«
Seine Miene verfinsterte sich noch mehr. »Seit Mitte August.«
»Nun, in dieser Zeit müsste dir eigentlich schon aufgegangen sein, dass sich die Grants nie raushalten.«
»Das heißt noch lange nicht, dass ich es auch richtig finde.« Er beobachtete genau, wie sie Finnegans Hals striegelte, entdeckte jedoch nichts, was daran auszusetzen gewesen wäre. Aber das war auch gar nicht wichtig. »Ein Pferd vor einer Ausstellung oder vor einem Training oder einem ganz normalen Ausritt fertig zu machen, ist etwas völlig anderes als vor einem Rennen.«
Sie stieß einen tiefen Seufzer aus. »Hast du das Gefühl, ich wüsste nicht, was ich tue?«
»Seine Beine müssen eingepackt werden.«
Wortlos deutete sie auf die Tücher auf der Leine und die zusätzlichen Wäscheklammern, die sie sich an ihre Jeans gesteckt hatte.
Immer noch nicht überzeugt, musterte er ihre Striegelbürsten und all die anderen Pflegeutensilien, die man so brauchte. Die Watte, die Decken, das Geschirr.
»Die Eisen müssen poliert werden.«
Sie schaute auf den Sattel. »Ich weiß, wie man Eisen poliert.«
Brian wiegte sich auf seinen Absätzen vor und zurück. Er sollte sich endlich um Betty kümmern. »Man muss mit ihm sprechen.«
»Was du nicht sagst. Wie das geht, weiß ich auch.«
Brian fluchte leise. »Er hat es aber lieber, wenn man singt.«
»Wie bitte?«
»Ich sagte, er mag es, wenn man ihm etwas vorsingt.«
»Oh.« Keeley schmunzelte. »Und was? Ein ganz bestimmtes Lied? Warte, lass
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