Ruheloses Herz
Mühe, es ihr zu erklären. »Er hat schon vor vielen Jahren aufgehört, durch die Gitterstäbe seines kleinen Käfigs zu schauen. Er und meine Mutter haben früh geheiratet, sie mussten heiraten, weil meine älteste Schwester unterwegs war.«
»Das kann ein Problem sein, aber …«
»Nein, sie waren zufrieden. Ich glaube schon, dass sie sich auf ihre Weise irgendwie lieben.« Er machte sich normalerweise nicht viele Gedanken über seine Eltern, aber da jetzt die Sprache auf sie gekommen war, tat er sein Bestes.
»Sie gründeten eine Familie und zogen ihre Kinder groß. Mein Vater brachte das Geld nach Hause. Obwohl er spielte und natürlich auch oft verlor, mussten wir nie hungern … und die Rechnungen wurden früher oder später auch immer bezahlt. Meine Mutter wusste, wie man einen Tisch ordentlich deckt, und unsere Kleider waren stets sauber. Trotzdem wurde ich nie das Gefühl los, dass irgendetwas fehlt.«
Keeley erinnerte sich an einen Ausspruch ihrer Mutter. Ein Kind kann vor einem vollen Teller verhungern. Was heißen sollte, dass ohne Liebe, Zuneigung, Lachen die Seele verhungerte.
»Dass du deinen eigenen Weg gegangen bist, sollte sie nicht davon abhalten, sich für dich zu freuen.«
»Mein Bruder und meine Schwestern sind alle ganz normale, ehrbare Leute mit Kindern und einem festen Job. Ich bin ihnen ein Rätsel, und wenn man es nicht schafft, ein Rätsel zu lösen, fängt man früher oder später an zu glauben, dass irgendetwas damit nicht stimmt. Oder dass mit einem selbst etwas nicht stimmt.«
»Du bist davongelaufen«, sagte sie leise.
Obwohl er sich nicht sicher war, dass ihm diese Umschreibung gefiel, nickte er. »In gewisser Weise wahrscheinlich schon, und zwar so schnell ich konnte. Was für einen Sinn hat es zurückzuschauen?«
Und doch tut er es, dachte Keeley.
11. K APITEL
Keeley gelangte zu dem Schluss, dass manche Männer einfach länger brauchten als andere, um zu erkennen, dass sie auch tatsächlich dorthin gehen wollten, wohin man sie führte.
Dennoch konnte sie sich nicht beklagen, weil sie eine herrliche Zeit hatte. Sie gewöhnte sich an, einmal wöchentlich zu einem Pferderennen zu gehen, ein Vergnügen, das sie sich versagt hatte, während ihre Reitschule noch im Aufbau gewesen war.
Trotzdem gab es immer noch viele Dinge, um die sie sich selbst kümmern musste – Meetings, Berichte schreiben und das Auswerten der Fortschritte, die jedes Kind machte. Für die Sommerferien plante sie eine Art offenes Haus für die Angehörigen und Pflegefamilien ihrer Schüler, sodass jeder Interessierte unangemeldet vorbeischauen, zwanglos mit den anderen plaudern und – natürlich in erster Linie – die Fortschritte der Kinder sehen konnte.
Doch nachdem sie den Unterricht inzwischen auf sieben Tage die Woche ausgedehnt hatte, war sie mehr als froh, ihrer Mutter einen Tag in der Woche die gesamte Verantwortung aufbürden zu können.
Sie fand es aufregend, Bettys Fortschritte zu beobachten und mit eigenen Augen zu sehen, dass Brian bei dem Stutenfohlen seine Ahnung nicht getrogen hatte. Betty bewies Tag für Tag und Woche für Woche, dass sie die geborene Siegerin war.
Doch noch mehr freute sich Keeley, dass Finnegan unter Brians geduldiger, ruhiger Hand regelrecht aufblühte.
Warm eingepackt, weil der Morgen kalt war, stand sie am Zaun der Trainingsbahn und wartete, während Brian Larry letzte Anweisungen gab.
»Bevor das Tor aufgeht, ist er nervös, aber dann stürmt er los. Sie werden ihn zurückhalten müssen, sonst geht ihm die Puste aus. Er läuft gern in der Menge, deshalb möchte ich, dass Sie ihn bis zur zweiten Runde nicht nach vorn lassen. Aber dann müssen Sie ihm unmissverständlich zu verstehen geben, dass Sie mehr von ihm erwarten. Und er wird es Ihnen geben. Nur an der Spitze läuft er nicht gern, da fehlt ihm die Gesellschaft.«
»Ich werde dafür sorgen, dass er das Ziel keine Sekunde aus den Augen verliert, Mr. Donnelly. Ich bin Ihnen wirklich sehr dankbar, dass Sie mir diese Chance geben.«
»Bedanken Sie sich bei Miss Grant. Aber wenn ich rieche, dass Sie eine Fahne haben, werden Sie keine weitere mehr bekommen.«
»Ich trinke keinen Tropfen. Wir werden unser Bestes geben, schon allein, um diesem Schweinehund Tarmack zu zeigen, wie man ein Vollblut behandelt.«
»Alles klar.«
Brian ging zum Zaun zurück, wo Keeley stand und an ihrem Softdrink nuckelte. »Ich weiß nicht, ob das mit Larry wirklich so eine gute Idee war, aber immerhin ist er nüchtern und
Weitere Kostenlose Bücher