Ruheloses Herz
entschlossen, seine Sache wieder gut zu machen, von daher lohnt sich das Risiko vielleicht.«
»Diesmal geht es nicht ums Gewinnen, Brian.«
Er nahm ihr die Flasche aus der Hand, trank einen Schluck und verzog angewidert das Gesicht. Wie Keeley so etwas schon am frühen Morgen in sich hineinschütten konnte, war ihm absolut schleierhaft. »Es geht immer ums Gewinnen.«
»Du hast deine Sache bei ihm wirklich prima gemacht.«
»Das wissen wir erst morgen in Pimlico.«
»Hör sofort auf damit«, befahl sie, während er sich unter dem Querbalken des Zauns hindurchschlängelte. »Dieses Lob ist verdient, und du solltest es auch annehmen. Das ist ein Pferd, das seinen Stolz wiedergefunden hat«, sagte sie mit Blick auf die Trainingsgruppe, die an die Schranke geführt wurde. »Und das hat es ganz allein dir zu verdanken.«
»Um Himmels willen, Keeley. Er ist dein Pferd. Ich habe ihn nur daran erinnert, dass er laufen kann.«
Du irrst dich, dachte sie. Du hast ihm seinen Stolz zurückgegeben, deshalb fühlt er sich jetzt dir zugehörig.
Aber Brians Interesse wurde bereits von dem Pferd in Anspruch genommen. Er zog seine Stoppuhr heraus. »Warten wir’s ab, wie gut er sich heute Morgen daran erinnert, dass er laufen kann.«
Dicht über dem Boden waberten Nebelschwaden. Der Raureif im Gras glitzerte, als die ersten zaghaften Sonnenstrahlen durch die Wolken brachen.
Es klingelte, dann sprang die Schranke vor den Startboxen auf. Und die Pferde stürmten los.
Die Nebelschwaden, die sich wie silberne Bänder über den Boden schlängelten, wurden von kraftstrotzenden Beinen zerfetzt. Pferdekörper, die von der feuchten Morgenluft glänzten, jagten vorbei.
»Genau so«, murmelte Brian. »Halt ihn in der Mitte. So könnte es gehen.«
»Sie sind wunderschön. Alle miteinander.«
»Er bestimmt das Tempo selbst.« Gespannt beobachtete Brian, wie die Pferde die erste Runde drehten. »Das ist gut. Siehst du, dass er sich mit dem Leitpferd zu messen versucht? Jetzt ist es ein Spiel für ihn. Er stellt sich einfach vor, dass er mit einigen Kumpels irgendwo auf der Weide herumtollt.«
Keeley lachte und beugte sich vor, während ihr Herz anfing zu hämmern. »Woher weißt du, was er sich vorstellt?«
»Das hat er mir erzählt. Los jetzt, mach dich bereit! Jetzt! Ja, ganz genau … so ist es richtig. Er ist stark. Zwar wird er nie eine Schönheit werden, aber er ist stark. He, sieh doch nur, er holt auf!« Brian legte Keeley aufgeregt eine Hand auf die Schulter und drückte zu, ohne es zu merken. »Er hat mehr Herz als Verstand, und es ist sein Herz, das ihm befiehlt zu laufen.«
Als Finnegan nur eine halbe Länge hinter dem Leitpferd durchs Ziel ging, drückte Brian auf die Stoppuhr. »Super. Absolut super. Ich möchte behaupten, dass er dir morgen alle Ehre macht, Miss Grant.«
»Das ist nicht so wichtig.«
Verständnislos schaute er sie an. »Wie kann man so etwas bloß sagen? Kannst du mir vielleicht mal verraten, wie uns das morgen Glück bringen soll?«
»Mir reicht es schon, ihn laufen zu sehen. Und noch mehr Spaß macht es mir, dich zu beobachten, wie du ihm beim Laufen zuschaust, Brian.« Gerührt legte sie ihm eine Hand auf die Brust. »Gib es zu, du hast dich in ihn verliebt.«
»Ich liebe jedes Pferd, das ich trainiere.«
»Ja, das weiß ich, weil es bei mir genauso ist. Aber in dieses hier hast du dich verliebt.«
Verlegen, weil sie recht hatte, schwang Brian sich über den Zaun. »Typisch Frau, aus einem ganz normalen Job eine rührselige Angelegenheit zu machen.«
Sie lächelte nur, als Brian hinüberschritt und seinem Pferd liebevoll den Kopf tätschelte.
»Na, das ist ja eine feine Sache. Da ziehen mir meine Tochter und mein Trainer doch tatsächlich einen Konkurrenten heran.«
Keeley schaute über die Schulter, als sie die Stimme ihres Vaters hörte. »Hast du ihn laufen sehen?«
»Die letzten Sekunden. Du hast ihn wirklich prima aufgepäppelt.« Travis drückte ihr einen Kuss auf den Scheitel. »Ich bin stolz auf dich.«
Sie schloss die Augen. Wie leicht ihm das Lob über die Lippen kam und wie schön zu wissen, dass er es auch wirklich so meinte.
»Von dir habe ich gelernt, fürsorglich zu sein, von dir und Ma. Als ich dieses Pferd sah, hatte ich Mitleid, weil du es mir beigebracht hattest.« Sie hob den Kopf und gab ihrem Vater einen Kuss auf die Wange. »Danke dafür.«
Als er seinen Arm um sie legte, schmiegte sie sich an ihn und kostete es aus, wie warm und behaglich es sich anfühlte.
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