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Ruhig Blut!

Ruhig Blut!

Titel: Ruhig Blut! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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beschäftigt, daß er während der vergangenen zwei Wochen keine Zeit gefunden hat, die Abortgrube zu leeren. Wenn der Wind aus der falschen Richtung kommt, steigt der Geruch bis zur Garderobe im Glockenturm hoch. Ich habe Duftkräuter ausgehängt, aber sie lösen sich schnell auf.«
    Magrats Gesichtsausdruck veränderte sich und brachte eine Besorgnis zum Ausdruck, die über mangelnde Hygiene im Schloß hinausging. »Äh… sie hat die Einladung doch bekommen, oder?«
    »Shawn meint, er hätte sie zugestellt«, erwiderte Agnes. »Wahrscheinlich hat sie gesagt…« Ihre Stimme bekam einen anderen, schärferen Klang. »›Für so etwas kann ich in meinem Alter keine Zeit vergeuden. Ich habe mich nie in den Vordergrund gestellt, niemand kann behaupten, daß ich mich jemals in den Vordergrund gestellt habe.‹«
    Magrat starrte mit offenem Mund.
»Meine Güte, das klang genau wie Oma Wetterwachs!« brachte sie hervor.
    »Es gehört zu den wenigen Dingen, die ich wirklich gut kann«, sagte Agnes mit normaler Stimme. »Hübsches Haar, ein wundervoller Charakter und ein gutes Ohr für Geräusche.« Und zwei Personen in einem Kopf, ließ sich Perdita vernehmen. »Oma kommt bestimmt«, fügte Agnes hinzu und schenkte der inneren Stimme keine Beachtung.
    »Aber es ist schon nach halb zwölf… Oh, ich sollte mich besser anziehen! Hilfst du mir dabei?«
Magrat eilte ins Ankleidezimmer, gefolgt von Agnes.
    »Ich habe sogar einen kleinen zusätzlichen Text auf die Karte geschrieben und sie gebeten, Patin zu sein«, sagte die Königin, nahm vor dem Spiegel Platz und kramte in den Schminkresten. »Insgeheim hat sie sich immer gewünscht, einmal Patin zu werden.«
    »Ein schönes Geschenk für ein Kind«, sagte Agnes, ohne vorher zu überlegen.
    Magrats Hand verharrte in einer kleinen Puderwolke auf halbem Weg zum Gesicht, und Agnes sah ihr Entsetzen im Spiegelbild. Dann preßte Magrat die Lippen zusammen, und für einige Sekunden ließ sich in ihren Zügen etwas erkennen, das manchmal auch in der Miene von Oma Wetterwachs erschien.
    »Nun, wenn es darum geht, einem Kind Reichtum, Gesundheit und Glück zu wünschen oder dafür zu sorgen, daß es Oma Wetterwachs auf seiner Seite hat – dann fiele mir die Wahl nicht schwer«, sagte Magrat. »Du hast sie bestimmt in Aktion gesehen.«
    »Das eine oder andere Mal, ja«, räumte Agnes ein.
»Sie wird nie den kürzeren ziehen«, meinte Magrat. »Du solltest sie mal erleben, wenn sie sich in die Enge getrieben fühlt. Sie kann einen Teil
    von sich selbst… an einem sicheren Ort unterbringen. Es ist, als… verstecke sie sich in jemand anders. Gehört alles zu dem Kram mit dem Borgen.«
    Agnes nickte. Nanny hatte sie davor gewarnt, aber es war trotzdem entnervend, Omas Hütte zu betreten und sie auf dem Boden liegend vorzufinden, steif wie ein Brett und in den fast blauen Fingern ein Pappschild mit der Aufschrift: ICH BINNE NICHT TOT. * Es bedeutete, daß sie irgendwo dort draußen war und das Leben mit den Augen eines Dachses oder einer Taube sah, während sie sich als Passagier in einem fremden Geist aufhielt.
    »Und weißt du was?« fuhr Magrat fort. »Es ist so wie mit den Magiern im Wiewunderland, die ihr Herz in einem versteckten Glas aufbewahrten, so daß sie nicht getötet werden konnten. In einem Buch in der Hütte steht was darüber.«
    »In ihrem Fall braucht das Glas nicht sehr groß zu sein«, sagte Agnes.
    »Da bist du unfair«, erwiderte Magrat. Sie zögerte. »Nun, es wäre in den meisten Fällen unfair. Beziehungsweise ziemlich oft. Oder wenigstens manchmal. Kannst du mir mit dieser blöden Halskrause helfen?«
    In der Krippe gluckste es.
»Welchen Namen gibst du ihr?« fragte Agnes.
»Da mußt du dich noch ein wenig gedulden«, antwortete Magrat.
    * Wenn es für Oma Wetterwachs nichts anderes zu tun gab, schickte sie ihr Bewußtsein auf Reisen – sie nannte so etwas »Borgen«. Ihr Selbst befand sich dabei im Kopf anderer Geschöpfe. Sie galt in dieser Hinsicht als die seit Jahrhunderten fähigste Person in den Spitzhornbergen: Oma konnte sogar den Geist von Dingen erreichen, die gar keinen Geist hatten. Ihr »Borgen« bewirkte unter anderem, daß die Lancrestianer Tieren gegenüber nicht zu jener Art von beiläufiger Grausamkeit neigten, die normalerweise zur ländlichen Idylle gehört: Die Ratte, nach der man heute einen Ziegelstein wirft, könnte sich morgen als jene Hexe erweisen, von der man sich ein Mittel gegen Zahnschmerzen erhofft. Es bedeutete auch, daß

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