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Ruhig Blut!

Ruhig Blut!

Titel: Ruhig Blut! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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aber ich glaube, das ist gute Darstellung einer Ente«, entgegnete der Troll fröhlich. »Und jetzt… Du soweit bist? Weil ich hebe den Pfahl. Es geht los. Siehst du? Er jetzt zeigt nach oben. Das bedeutet, du weiterfahren kannst.«
    Die Kutsche rollte einige Dutzend Meter weiter und hielt dann vor der Brücke.
    Der Troll glaubte seine Pflicht erfüllt, wankte ebenfalls in Richtung Brücke und hörte ein verwirrendes Gespräch. Allerdings hätten die meisten Gespräche, bei denen mehrsilbige Worte verwendet wurden, den Großen Dummen Dummkopf verwirrt.
    »So, ich möchte, daß ihr jetzt gut aufpaßt…«
»Vater, das ist nun wirklich nicht neu für uns…«
    »Ich kann es gar nicht oft genug betonen. Das dort unten ist der Fluß Lancre. Er besteht aus fließendem Wasser. Und wir werden ihn überqueren. Ich möchte daran erinnern, daß eure Vorfahren zwar Hunderte von Meilen weit reisten, aber fest davon überzeugt waren, nicht einmal einen Bach überqueren zu können. Muß ich extra auf diesen Widerspruch hinweisen?«
    »Nein, Vater.«
»Gut. Kulturelle Konditionierung könnte für uns den Tod bedeuten, wenn wir nicht vorsichtig sind. Fahr weiter, Igor.«
Großer Dummer Dummkopf sah der Kutsche nach. Kälte schien ihr über die Brücke zu folgen.
Oma Wetterwachs flog wieder und genoß die klare, frische Luft. Sie hielt sich ein ganzes Stück über den Bäumen, und zum Glück für alle Beteiligten konnte niemand ihr Gesicht sehen.
    Abgelegene Bauernhöfe zogen unter ihr vorbei. Hinter einigen Fenstern brannte Licht, doch die meisten waren dunkel – die Leute hatten sich längst auf den Weg zum Schloß gemacht.
    Unter jedem Dach gab es eine Geschichte, wußte Oma Wetterwachs. Mit Geschichten kannte sie sich aus. Doch das dort unten waren Geschichten, die nie erzählt wurden: kleine, geheime Geschichten, die in kleinen Zimmern spielten…
    In diesen Geschichten half keine Medizin, und Pschikologie blieb wirkungslos, weil zuviel Schmerz einen Geist quälte, der in einem zum Feind gewordenen Körper steckte. Manchmal waren Personen in einem Kerker aus Fleisch gefangen, und dann konnte Oma sie gehen lassen.
    Es erforderte keine drastischen Maßnahmen, wie zum Beispiel ein Kissen oder das absichtliche Verwechseln von Arzneien. Man schob die Betreffenden nicht aus der Welt, sondern hinderte die Welt daran, sie weiterhin festzuhalten. Man berührte sie nur… und zeigte ihnen den Weg.
    Gesprochen wurde dabei nie. Ab und zu stand in den Gesichtern der Verwandten eine Bitte, die niemand in Worte zu fassen wagte. Oder es hieß: »Kannst du etwas für ihn tun?« So lautete vielleicht der Code. Wenn man fragte, waren die Leute schockiert und behaupteten, sie hätten nie etwas anderes gemeint als vielleicht ein weicheres, bequemeres Kissen.
    Jede Hebamme, die in blutigen Nächten in irgendeiner einsamen Hütte arbeitete, kannte all die anderen kleinen Geheimnisse…
Nie darüber reden…
    Oma Wetterwachs war ihr ganzes Leben lang Hexe gewesen und wußte daher: Eine Hexe stand direkt am Rand, wo die Entscheidungen getroffen wurden. Man traf sie selbst, damit die anderen sie nicht treffen mußten, damit sie sich der Illusion hingeben konnten, es seien gar keine Entscheidungen notwendig, damit sie weiterhin glaubten, es gäbe keine kleinen Geheimnisse, nur Dinge, die einfach passierten. Man sagte nie, daß man Bescheid wußte. Und man bat nie um eine Gegenleistung.
    Das Schloß war hell erleuchtet. Oma Wetterwachs konnte sogar Gestalten am großen Feuer im Hof erkennen.
    Etwas anderes weckte ihre Aufmerksamkeit, denn ihre Blicke glitten jetzt überallhin, nur nicht zum Schloß, und sofort drängte sie ihre Grübeleien beiseite. Dunst kroch über die Berge und glitt im Mondschein durch die fernen Täler. Eine Nebelschwade wuchs in die Länge, dehnte sich aus in Richtung Schloß und strömte wie in Zeitlupe durch die Lancre-Schlucht.
    Im Frühjahr, wenn sich das Wetter änderte, war Nebel keine Seltenheit. Doch in diesem Fall kam er von Überwald.
    Die Zofe Millie Chillum öffnete die Tür von Magrats Zimmer, knickste vor Agnes beziehungsweise vor ihrem Hut, und ließ sie dann mit der am Frisiertisch sitzenden Königin allein.
    Agnes wußte nicht genau, was das Protokoll von ihr verlangte, und sie versuchte es mit einer Art republikanischem Knicks. Der verursachte erhebliche Bewegung in peripheren Regionen.
    Königin Magrat von Lancre putzte sich die Nase und stopfte das Taschentuch dann in den Ärmel ihres Morgenrocks.
    »Oh, hallo,

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