Ruhig Blut!
als erster von der Überraschung. Er lächelte – auf-
grund der Nähte, die direkt darüber hinwegführten, hatte er ein geomet-
risch recht interessantes Lächeln – und sagte: »Meine Güte, hier hat je-
mand zu viele Geschichten gelefen. Haft du Knoblauch dabei?«
»Jede Menge«, log Agnes.
»Kannft nichtf damit anfangen. Und Weihwafer?«
»Literweise.«
»Muf dich leider enttäu…«
Ein Sargdeckel knallte gegen Igors Kopf und verursachte ein seltsam
metal enes Geräusch. Der Diener hob langsam die Hand, um sich die
getroffene Stelle zu reiben, und drehte sich dann um. Der Sargdeckel
schlug erneut zu, und diesmal traf er Igors Gesicht.
»Oh, Mift«, sagte er und brach zusammen. Himmelwärts erschien. Ad-
renalin und Rechtschaffenheit ließen seine Wangen glühen.
»Mit himmlischer Entschlossenheit habe ich ihn niedergestreckt!«
»Gut, gut, laß uns jetzt von hier verschwinden! Hilf mir auf!«
»Mein Zorn senkte sich auf ihn herab wie…«
»Es war ein recht schwerer Sargdeckel, und er ist nicht mehr der Jüngs-
te«, sagte Agnes. »Hör mal, ich habe als Kind hier unten gespielt und
kenne den Weg zur Hintertreppe…«
»Er ist kein Vampir? Er sieht wie einer aus. Wirkt wie zusammenge-
flickt…«
»Er ist nur ein Diener. Bitte komm jetzt…« Agnes zögerte. »Kannst du
normales Wasser in Weihwasser verwandeln?«
»Was, hier?«
»Ich meine, kannst du es segnen oder Om widmen, vielleicht die Höl e
herauskochen…?«
»Es gibt da eine kleine Zeremonie, die…« Himmelwärts unterbrach
sich. »Du hast recht! Man kann Vampire mit Weihwasser aufhalten!«
»Gut. Wir sollten also die Küche aufsuchen.«
Die große Küche war fast leer. Eigentlich herrschte hier nie viel Be-
trieb, denn das königliche Paar verlangte nicht bei jeder Mahlzeit drei
Fleischgänge. Derzeit hielt sich nur die Köchin Frau Scorbic an diesem
Ort auf und rollte in aller Ruhe Teig aus.
»Guten Tag, Frau Scorbic«, sagte Agnes. Ihrer Meinung nach war es
die beste Taktik, einfach weiterzugehen und sich auf die Autorität des
spitzen Huts zu verlassen. »Wir sind nur gekommen, um ein wenig Was-
ser zu holen, keine Sorge, ich weiß, wo die Pumpe steht, aber es wäre
uns eine große Hilfe, wenn du zwei Flaschen für uns hättest.«
»In Ordnung, meine Liebe«, erwiderte Frau Scorbic.
Agnes blieb stehen und drehte sich um.
Frau Scorbic galt als sehr streng, insbesondere in bezug auf Soja,
Nußschnitzel, vegetarische Mahlzeiten und Gemüse, das nicht so lange
gekocht werden konnte, bis es gelb wurde. Selbst der König zögerte, die
Küche zu betreten, obwohl ihn dort nur verärgertes Schweigen erwarte-
te. Gewöhnliche Sterbliche hingegen empfingen die ganze Wucht eines
al gemeinen Zorns. Frau Scorbic hatte auf die gleiche Weise permanent
schlechte Laune, wie Berge permanent groß sind.
An diesem Tag trug sie ein weißes Kleid mit weißer Schürze, eine gro-
ße weiße Mütze und ein weißes Tuch um den Hals. Sie wirkte… zufrie-
den.
Agnes winkte Himmelwärts in Richtung Pumpe. »Besorg dir etwas, das
wir mit Wasser füllen können«, flüsterte sie ihm zu. Dann wandte sie sich
an die Köchin und fragte fröhlich: »Wie geht es dir, Frau Scorbic?«
»Sehr gut, danke der Nachfrage, Fräulein.«
»Bei den vielen Besuchern hast du sicher eine Menge zu tun.«
»Ja, Fräulein.«
Agnes hüstelte. »Und, äh… was hast du ihnen zum Frühstück ser-
viert?«
Falten bildeten sich auf der breiten rosaroten Stirn der Köchin. »Kann
mich nicht daran erinnern, Fräulein.«
»Bravo.«
Himmelwärts stieß Agnes an. »Ich habe zwei Flaschen gefül t und Oms
Läuterungsritus gesprochen.«
»Genügt das?«
»Du mußt Vertrauen haben.«
Die Köchin beobachtete sie freundlich.
»Danke, Frau Scorbic«, sagte Agnes. »Äh… laß dich nicht länger bei
der Arbeit stören.«
»Ja, Fräulein.« Die Köchin griff wieder nach der Teigrolle.
Sie ergibt viele Mahlzeiten, dachte Perdita. Köchin und Speisekammer in einer Person.
»Das war geschmacklos!« sagte Agnes.
»Wie bitte?« fragte der Priester.
»Oh… es war nur so ein Gedanke. Gehen wir die Hintertreppe hoch.«
Die Treppe bestand aus kahlem Stein, und auf jeder Etage boten Türen
Zugang zum öffentlichen Teil des Schlosses. Jenseits dieser Türen gab es
noch mehr Stein, aber der gehörte zu einer erleseneren Kategorie und
verbarg sich oft hinter Wandbehängen oder unter Teppichen.
Agnes öffnete eine Tür.
Zwei Personen aus Überwald
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