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Ruhige Straße in guter Wohnlage: Die Geschichte meiner Nachbarn (German Edition)

Ruhige Straße in guter Wohnlage: Die Geschichte meiner Nachbarn (German Edition)

Titel: Ruhige Straße in guter Wohnlage: Die Geschichte meiner Nachbarn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pascale Hugues
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Aschinger-Würste befanden. Der Herr Kommerzienrat zog aus seiner Westentasche einen Messerschärfer, schliff das Hotelmesser und säbelte jedem von uns ein großes Stück Wurst ab.»
    Die schönste Episode dieser atemberaubenden Show jedoch war der Aufenthalt mit den Aschingers in einer Suite des Hotels Claridge, «dem feinsten Pariser Hotel an den Champs-Élysées», wo sie vom Hoteldirektor «fürstlich» aufgenommen wurden. «Bei unserer Ankunft standen in jedem Zimmer Blumen bereit, eine große Bonbonniere für die Damen und Zigarren für die Herren. Als wir abfuhren, gab es keine Rechnung zu bezahlen, sicher wegen des in der Gastronomie weltweit bekannten Namens Aschinger. Doch unsere drei Herren, Aschinger, Lohnert und Ernsthaft, erwiderten diese großzügige Geste mit einem mindestens ebenso großzügigen Geschenk: Sie ließen beim Juwelier Hülse in Berlin eine goldene Tabatiere mit den Initialen des Hoteldirektors anfertigen. Die Initialen bestanden aus kleinen Brillanten.»
     
    Alle diese funkelnden Namen, die sie in ihrem sprudelnden Bericht aufblitzen ließ, überstrahlten die Tragödien ihres Lebens. Die schwarzen Wolken zerstreuten sich. Ich sah zu, wie sie durch die hohen Fenster davonzogen und am hellen Himmel unserer friedlichen Nachmittage in weite Fernen abdrifteten … Und ich wagte nicht, sie zurückzuhalten. Auch nicht für einen ganz kurzen Augenblick. Ich getraute mich nicht, die Fragen zu stellen, die mir auf den Lippen brannten.
    Es war ihr Naturell. Lilli Ernsthaft glich eher ihrem fröhlichen Vornamen als dem strengen Familiennamen ihres dreiunddreißig Jahre älteren Ehemannes. Sie wollte sich nicht über ihr erlittenes Unglück ausbreiten. Die Kriegserklärung Deutschlands an Russland am 1 . August 1914 ? «An einem schönen Sommertag fuhren meine Eltern mit mir nach Potsdam. Wir gingen durch den herrlichen Park in ein am Wasser gelegenes Restaurant, um zu Mittag zu essen. Wir saßen auf einer großen halbrunden Terrasse mit Blick auf die Havel. Gerade hatten wir beim Kellner das Essen bestellt, als ein Zeitungsjunge durch das Lokal gelaufen kam und laut schrie: ‹Deutschland hat Russland den Krieg erklärt!› Das hatte zur Folge, dass mein Vater dem Kellner das Essen bezahlte und wir zu meinem großen Leidwesen fluchtartig und hungrig das Lokal verließen. So endete der Sommerausflug 1914 in das wunderschöne Potsdam. Mit zwölf vermag man die Tragweite eines solchen Ereignisses noch nicht richtig einzuschätzen.» Und hätte sie nicht beiläufig erwähnt, dass sie mit den Eltern in der Volksküche essen ging, die auf unserem Platz eingerichtet war, hätte man beim Zuhören glatt vergessen können, dass die Deutschen während des Krieges unter der Hungersnot litten. Lilli sammelte auch mit einer Büchse Geld für die verwundeten Soldaten, und sie entrichtete dem Krieg ihren Tribut: «Mein Lieblingsvetter ist aus dem Feld nicht mehr zurückgekehrt. Er ist ‹fürs Vaterland› gefallen, das fünfundzwanzig Jahre später nicht mehr unser Vaterland sein wollte.» Sie kam kurz auf die Abdankung des verehrten Kaisers zu sprechen, den sie als Kind mit ihrem Vater am Sonntagmorgen mit Kaiserin Auguste Viktoria in deren Equipage vom Schloss die Linden hinunter zum Brandenburger Tor fahren sah, ganz ohne Leibwächter und Sicherheitspolizei. «Die Menschen jubelten ihm zu, und auch wir winkten und riefen: ‹Hoch›, auf die Ausrufung der Republik, den Spartakusaufstand, die Ermordung Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts, den Kapp-Putsch … All diese Ereignisse, die zur Folge hatten, dass wir leider keine ruhige Nachkriegszeit erleben durften.» Die schreckliche Inflation der zwanziger Jahre, der Finanzsturm, der auch durch unsere Straße tobte, mehrere Bankrotte auslöste und sie mit Arbeitslosen und gar einigen Bettlern bevölkerte? «Ein einschneidendes Ereignis, das mich weniger tangierte als sicher die meisten Deutschen, denn ich schwebte als junge Frau im siebenten Himmel und interessierte mich mehr für die österreichische Küche, die ich zwar aus meinem Elternhaus kannte, aber weder dort noch in meinem neuen Heim selber praktizieren musste, weil zu Hause eine langjährige Wirtschafterin den Haushalt und die Küche versah.»
     
    Selbst der Machtantritt Adolf Hitlers am 30 . Januar 1933 schien nichts als eine weitere Unannehmlichkeit in dieser Weimarer Republik zu sein, die die Regierungen wechselte wie die Männer die gestärkten Hemden: «Der politische Himmel verdüsterte

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