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Ruhige Straße in guter Wohnlage: Die Geschichte meiner Nachbarn (German Edition)

Ruhige Straße in guter Wohnlage: Die Geschichte meiner Nachbarn (German Edition)

Titel: Ruhige Straße in guter Wohnlage: Die Geschichte meiner Nachbarn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pascale Hugues
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Elektromonteur, ein Maschinen- und ein Autoschlosser, mehrere Elektriker und Bauarbeiter, eine Serviererin, eine Garderobenfrau, eine Köchin und eine Gastwirtin, drei Bäcker, ein Konditor und ein Fleischer, mehrere Buchhalter, eine Friseurmeisterin, eine Stickerei- und Konfektionsangestellte, mehrere Sachbearbeiterinnen, zwei Kraftfahrer, ein Polizeibeamter und ein Polizeioberkommissar, eine Postsekretärin a.D. und ein Postoberschaffner, zwei Glasreiniger, die man heute etwas ungenierter Fensterputzer nennen würde, ein Tapezierer, ein Subdirektor im Ruhestand. Und ein paar bunte Vögel: ein Tonkünstler namens Voicu Petru, eine Mamsell (was immer darunter zu verstehen ist), ein Ballettmeister, ein Kleindarsteller, ein Konzertpianist. Sie leben in den neuen Blöcken oder in den alten, inzwischen unterteilten Wohnungen.
    Auf dem Bauamt geht eine Flut von Baugenehmigungsgesuchen ein. Der Schuster Johannes Jawerts stellt einen Genehmigungsantrag zur Anbringung eines Fronttransparents in Nasenform, beschriftet in roten Buchstaben mit schwarzer Kontur auf weißem Hintergrund mit dem Text:
    Schnellbesohlung
    SCHUH - EXPRESS
    Die Firma H. Müggelberg, Obst und Gemüse, Feinkost, Milch, Spirituosen, in der Nummer  5 beantragt die Genehmigung zur Anbringung eines Leuchtkastens an ihrer Ladenfront, ein rotes Feld mit Schriftzug der Coca-Cola GmbH, und fügt eine Fotografie in doppelter Ausfertigung bei. Der Brief ist mit Tippfehlern und in zögerlichem Stil auf Kohlepapier geschrieben. Und Richard John aus demselben Haus ersucht um eine Genehmigung zur Anbringung zweier Glasschilder, 70  ×  180  cm, auf Elfenbeingrund mit dem Text:
    Bärenbier
    Bringt gute Laune!
    Marta Schreiner bittet um Erlaubnis, an der Wand ihres Zigarrenladens in der Nummer  26 einen Warenautomaten für die Ausgabe von Tabakwaren anbringen zu dürfen.
    Die Antragssteller legen ein kleines Schwarzweißfoto von der Vorderfront bei. Man sieht darauf eine kahle Fassade, eine schmale Vitrine und eine kleine Glastür. Und diese altmodischen Werbungen, die man damals «Reklame» nannte: «Sofort-Dienst. Absätze in 5  Minuten!», «Wir längen und weitern», wirbt der Schuhmacher. Bei H. Müggelberg steht «Feinkost Milch» zwischen zwei «Coca-Cola»-Logos. Der Inhaber hat die Angebote für Kartoffeln und die neuen Lieferungen von Obst mit weißer Farbe aufs Schaufenster geschrieben. Im Laufe der Jahre und der Baugenehmigungen wird das präsentierte Angebot üppiger und bunter: Kondensmilch in der Tube, Ananas in der Büchse, Gemüseallerlei und Ravioli. Aber Zucchini oder Auberginen sucht man in den Obstkisten von H. Müggelberg vergeblich. Nichts als Saisonprodukte aus Nordeuropa.
    Beim Betrachten dieser Fotos steigt jedes Mal eine leise Wehmut nach dieser vergangenen Zeit in mir auf, die der meiner Kindheit gleicht. Als das Viertel noch voll von kleinen Einzelhändlern war, die einen mit einem «Wie geht’s denn heute, junge Frau?» begrüßten, sich nach dem Stand der Hühneraugen oder der Blutsenkung, nach dem Schulzeugnis des Sohnes und der Verlobung der Tochter erkundigten und die zwischen den Bewohnern eines Viertels eine Verbindung schufen. Bei ihnen begegnete man sich, plauderte man und deckte sich mit den neuesten Nachrichten der Straße ein, Geburten, Krankheiten, Tod, Klatsch. Eine noch einfache, langsame Welt mit ganz klaren Konturen. Etwas eng, gewiss, dafür nach menschlichem Maßstab geformt.
     
    Meine Straße rappelt sich wieder hoch und schaut nach vorn. Und vor allen Dingen arbeitet sie. Sie arbeitet ohne Unterlass. «Als er aus der Kriegsgefangenschaft zurückkam, hat sich Vati totgearbeitet», vertraut mir eines Morgens eine Nachbarin an, mit der ich auf dem Gehsteig ins Gespräch gekommen bin. Ich will sie gerade trösten, mit ihr gemeinsam bedauern, dass ihr Vati seine Kräfte nicht geschont, nicht besser auf seine Gesundheit geachtet und sich nicht mehr Freizeit, hin und wieder ein kleines Vergnügen, etwas Zeit zum Träumen gegönnt hat nach den Jahren des Horrors in der Sowjetunion. Ich will eben eine Hymne aufs
Farniente
anstimmen, als meine Nachbarin voller Stolz deklamiert: «Diese Generation hat so viel mitgemacht, manche zwei Weltkriege, und sie sind alle viel robuster als die jetzige. Das hat die Leute geformt! Wer viel arbeitet, hat eine ganz andere Energie, lässt sich nicht so sehr hängen!» Sechstagewoche, zwei Wochen Urlaub im Jahr. Sämtliche alten Leute meiner Straße verteidigen, streng und fraglos,

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