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Ruht das Licht

Ruht das Licht

Titel: Ruht das Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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dass er für den Augenblick nichts mehr zu sagen hatte, wandte ich mich wieder meinen guten Vorsätzen zu. So richtig konzentrieren konnte ich mich allerdings nicht; meine Gedanken kreisten immer noch um das Bild des kleinen Sam, der sich hin- und zurückverwandelte, während seine Eltern entsetzt zusahen. Ich kritzelte ein Quadrat in die Ecke meiner Seite und ergänzte es dann zu einem Würfel.
    »Was machst du da eigentlich?«, wollte Sam wissen. »Sieht verdächtig nach was Kreativem aus.«
    »Nur ein klitzekleines bisschen«, antwortete ich, hob eine Augenbraue und sah ihn an, bis er lächeln musste. Er schlug einen Akkord an und sang: »Hat Grace die Zahlen abserviert / und will Poetin werden?«
    »Das reimt sich ja noch nicht mal.«
    »Der Algebra den Rücken kehr’n / und nun für Verben sterben?« ,schloss Sam.
    Ich zog eine Grimasse. »›Sterben‹ reimt sich auch nicht richtig auf ›werden‹. Ich schreibe meine guten Vorsätze fürs neue Jahr auf.«
    »Reimt sich wohl«, beharrte er. Er stand auf, kam an den Tisch und setzte sich mir gegenüber. Die Gitarre schlug leicht gegen die Tischkante und gab ein leises, harmonisches Klöng von sich.
    »Dann gucke ich zu«, erklärte Sam. »Ich habe noch nie Neujahrsvorsätze gefasst. Bin mal gespannt, wie so was aussieht, vor allem bei so einem Organisationswunder wie dir.«
    Er zog das offene Notizbuch über den Tisch zu sich rüber. Seine Brauen berührten sich fast, so tief runzelte er die Stirn, als er die Liste vom Jahr davor aufschlug. »Mal sehen. Vorsatz Nummer drei: Mich für ein College entscheiden. Wie, du weißt schon, auf welche Uni du willst?«
    Ich zog das Notizbuch zu mir zurück und blätterte schnell wieder vor. »Nein, weiß ich nicht. Da war nämlich so ein süßer Typ-Schrägstrich-Wolf und der hat mich abgelenkt. Das war das erste Mal, dass ich nicht alle meine Vorsätze erfüllt habe, und das ist ganz allein deine Schuld. Wird Zeit, dass ich wieder in die Gänge komme.«
    Sams Lächeln wurde dünner. Er schob seinen Stuhl zurück und lehnte die Gitarre an die Küchenwand. Dann nahm er sich einen Kugelschreiber und eine der Karteikarten, die auf dem Tresen neben dem Telefon lagen. »Na gut, dann überlegen wir uns ein paar neue.«
    Ich schrieb: Einen Job finden. Er schrieb: Meinen Job weiter gern machen. Ich schrieb: Total verliebt bleiben. Er schrieb: Ein Mensch bleiben.
    »Total verliebt bleibe ich nämlich sowieso«, murmelte er und sah hinunter auf seine Karteikarte statt in mein Gesicht.
    Seine Wimpern verbargen seine Augen. Ich beobachtete ihn, bis er wieder zu mir aufsah.
    »Schreibst du das mit dem College auch wieder auf?«, wollte er wissen.
    »Du denn?«, fragte ich zurück, bemüht, es unverfänglich klingen zu lassen. So viel schwang mit in dieser Frage – sie konnte geradewegs zu unserem ersten Gespräch darüber führen, wie unser Leben jetzt, nach dem Winter, weitergehen würde. Jetzt, da Sam ein normales Leben führen konnte. Von Mercy Falls aus war das nächste College in Duluth, eine Stunde entfernt, und alle anderen, die ich mir in meiner Prä-Sam-Ara rausgesucht hatte, waren noch weiter weg.
    »Ich hab zuerst gefragt.«
    »Klar«, antwortete ich, was aber eher ausweichend als locker klang. Ich schrieb »Mich für ein College entscheiden« auf meine Seite. Meine Handschrift sah komplett anders aus als beim Rest der Liste.
    »Und, was ist jetzt mit dir?« Unerwartet fing mein Herz an zu hämmern, beinahe panisch.
    Aber statt zu antworten, stand Sam einfach auf und ging zur Spüle. Ich drehte mich um und sah zu, wie er Teewasser aufsetzte. Dann nahm er zwei Tassen aus dem Schrank über dem Herd. Aus irgendeinem Grund erfüllte es mich mit Zuneigung, dass er sich so selbstverständlich in unserer Küche bewegte. Ich unterdrückte den Reflex, aufzustehen und meine Arme von hinten um seine Brust zu schlingen.
    »Beck wollte, dass ich Jura studiere«, sagte Sam und fuhr mit dem Finger über den Rand meiner drosseleiblauen Lieblingstasse. »Zu mir hat er’s nie gesagt, aber ich hab gehört, wie er es mal Ulrik gegenüber erwähnt hat.«
    »Du und Anwalt? Das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen«, entgegnete ich.
    Sam lächelte selbstironisch und schüttelte den Kopf. »Ich kann mir mich auch nicht als Anwalt vorstellen. Ehrlich gesagt kann ich mir mich als gar nichts vorstellen, zumindest im Moment noch nicht. Ich weiß, das klingt … furchtbar. Als hätte ich überhaupt keine Ambitionen.« Wieder zog er nachdenklich

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