Ruinen der Macht
wollte das Päckchen öffnen, das der Gesandte ihm übergeben hatte, doch Parsons streckte die Hand aus und hielt ihn auf.
»Die Berichte sind so trocken. Sie werden noch genügend Zeit haben, sie in Ruhe zu lesen und eine Antwort aufzusetzen, die ich dem Lordgouverneur persönlich überbringen kann.«
Sergio neigte leicht den Kopf in Parsons' Richtung. Er würde jede verfügbare Sekunde brauchen, um diese Antwort zu formulieren.
15. April 3133
»Elora hat mich gefeuert«, erklärte Hanna Leong mit erstickter Stimme. »Sie hat meine Sendung dieser Hohlnuss Bethany übergeben, hat mir erklärt, ich sei nicht gut genug, und dann hat sie mich gefeuert!«
Dale Ortega sah, wie schwer es ihr fiel, nicht laut loszuheulen. Er griff über den kleinen Tisch auf dem Bürgersteig vor dem Café und hielt ihre Hand. Einen Moment lang verstummte der Lärm der Großstadt. Die keine zwei Meter entfernt im Zwielicht vorbeisausenden Wagen verschwanden. Den Turm der Republik, das höchste Gebäude des Planeten, nahm Dale kaum noch wahr, obwohl der Anblick ihn gewöhnlich faszinierte. Irgendetwas daran, wie die Turmspitze durch die Wolken brach, inspirierte ihn und ließ ihn daran glauben, dass alles möglich war, besonders bei Sonnenuntergang. Als er und Austin noch jünger gewesen waren, hatten sie hier in diesem Café herumgehangen und zugesehen, wie die obersten Stockwerke gebaut wurden. Als sein Vater das Hochhaus Devlin Stone geweiht hatte, hatten Dale und Austin zum ersten Mal bei einer offiziellen Gelegenheit neben ihm gestanden.
Ihre Mutter war nur eine Woche vorher gestorben und Sergio Ortega hatte die Knaben stärker in seine tägliche Routine einbinden wollen, um sie abzulenken.
Irgendwie hatte Dale den Turm immer weniger als einen Tribut an Devlin Stone betrachtet und vielmehr als ein Denkmal für seine Mutter. Es fiel ihm schwer, die Worte zu finden, um Hanna denselben Trost zu spenden, den das Gebäude für ihn bedeutete.
»Du findest was Besseres«, erklärte er ihr. »Du hast Talent und mehr Ehrgeiz als jede andere Frau, die ich je gesehen habe.« Er grinste und setzte hinzu: »Du hast fast so viel wie ich.«
»Austin ist der mit dem Ehrgeiz«, antwortete Hanna, tupfte sich die Tränen aus dem Augenwinkel und lächelte ein wenig. »Du bist der mit dem jungenhaften Charme. Weißt du es jetzt wieder?«
»Wenn ich bei dir bin, vergesse ich alles. Erinnerst du dich, wie wir uns kennen gelernt haben?«
»Du hast mir auf einem Empfang, von dem ich für das Ministerium für Information berichtet habe, einen Drink übers Abendkleid gegossen. Damals habe ich dich für einen kompletten Idioten gehalten.«
»Deine Schönheit hat mir die Sinne geraubt«, entschuldigte sich Dale und stellte überrascht fest, dass es sein voller Ernst war. Vorher, bei anderen Frauen, war das nichts weiter als eine Schmeichelei gewesen. Aber nicht bei Hanna. »Dass du nicht losgebrüllt und mich heruntergeputzt hast, weil ich ein gutes Kleid ruiniert hatte ...«
»Ein Abendkleid«, verbesserte Hanna.
»Du hast die Katastrophe gut weggesteckt.«
»Und mich auf eine Verabredung mit dir eingelassen. Du hast überhaupt keine Zeit verloren. Möglicherweise besitzt du doch Ehrgeiz.« Dann verblasste Hannas Lächeln. »Und Elora hat mich gefeuert. Ich hätte es wissen müssen, aber trotzdem hat es mich überrascht.«
»Hat sie von deinem Treffen mit meinem Vater erfahren?«, fragte Dale. »Ich habe ihn heute erst danach gefragt, aber er wollte nichts dazu sagen. Natürlich war er gerade damit beschäftigt, den Gesandten zu empfangen.« Er hatte Hanna mehrere Tage nicht gesehen und war selbst auch ebenso von den Vorbereitungen für das Eintreffen von Jerome Parsons mit Beschlag belegt worden wie alle anderen. Manfred Leclerc hatte ihn nicht nur in die 1KL-Ehrengarde versetzt, sein Vater hatte ihn als Verbindungsoffizier zwischen dem Protokollchef und dem Transportverantwortlichen auf Trab gehalten. Er hatte aufgeatmet, als sein Vater und der Gesandte abgefahren waren. Dies war seine erste Chance, zu erfahren, wie Hannas Gespräch verlaufen war.
»Ich weiß es nicht«, antwortete sie. »Möglicherweise weiß Elora von unserem Treffen. Sie versucht, alles zu erfahren.« Hanna starrte ihn Hilfe suchend an. »Sie hat mich so abrupt gefeuert, sie muss davon wissen.«
»Mein Vater wird etwas unternehmen.«
»Ich kann meine Anschuldigungen nicht beweisen. Sicher, ein Teil lässt sich belegen. Sie ist der Bastard eines Clan-Angreifers, aber das ist
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