Ruinen der Macht
von dem LKW. Die wütende Stimme des Fahrers und die schweren Schritte der Soldatenstiefel, deren Echo durch die Nacht hallte, verrieten ihm, dass er nur wenige Sekunden hatte, bis man ihn entdeckte.
Austin duckte sich hinter einen Kistenstapel, als ein Lichtkegel die Dunkelheit zerteilte. Man suchte nach ihm. Er hörte die MP streiten. Dann verschwand der Lichtkegel. Austin hielt den Atem an und lauschte, ob ihm jemand in die Gasse folgte. Nach einer Zeit, die ihm wie eine kleine Ewigkeit erschien, wagte er einen Blick zurück. Der Laster schien weitergefahren zu sein und auf der Straße waren keine Streifen zu sehen. Er klopfte sich den Staub von den Kleidern und hastete davon. Er war ihnen entwischt. Aber was nun?
Ministerium für Information, Cingulum, Mirach Präfektur IV, Republik der Sphäre
3. Mai 3133
»Was ist schief gegangen?«, wollte Lady Elora wissen. Sie konnte sich kaum beherrschen. Der Mann machte sie wütend. Da stand er vor ihrem Schreibtisch, selbstzufrieden und eingebildet. Dabei hatte er versagt.
Niemand versagte bei einem Auftrag, den sie erteilt hatte. Schon gar nicht zweimal.
»Es hat sich als Fehler erwiesen, sich auf die Militärpolizei zu verlassen«, stellte er fest. Der Mann, der schon als Kellner, als MunitionsTech und Industrie-Mechfahrer für sie gearbeitet hatte, trug noch immer die Uniform eines Militärpolizisten. »Aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir sie finden. So wütend, wie die MP über den Fehlschlag waren, wird weder Leclerc noch Ortega lange genug überleben, um es zu einem Verhör kommen zu lassen.«
»Ich weiß, wo sich Austin Ortega befindet«, bemerkte Elora. »Er wurde vor einer Stunde bei der Rückkehr in den Palast gesehen.«
»Dann kann ich die Uniform anbehalten und mich noch vor Morgengrauen um ihn kümmern.« Der Mann zuckte die Achseln. »Bei den Wachen, die Tortorelli für den Palast eingeteilt hat, könnte ich problemlos hineinmarschieren. In dieser Uniform könnte ich sie sogar dazu bringen, mir dabei zu helfen, dem Baronet die Kehle durchzuschneiden.«
»Und wie planen Sie, Leclerc zu finden?«
»Das, Lady Elora, ist mein Geheimnis, aber ich habe Methoden, um alles und jeden aufzuspüren. Absolut alles und jeden.« Er verschränkte die Arme und musterte sie, als wäre dies sein Büro und sie die Untergebene.
Geheimnisse. Elora kochte innerlich. Was weißt du schon von Geheimnissen?
Sie lehnte sich zurück und musterte ihn. Er hatte sich schon zweimal als nützlich erwiesen. Aber jetzt?
»Ich sehe, Sie denken daran, mich aus dem Weg zu räumen«, stellte er ohne eine Spur von Angst in den fahlblauen Augen fest. Elora hasste ihn für diese Augen. Ihre Mutter hatte Jahre damit zugebracht, ihr den Mann zu beschreiben, der sie gezeugt hatte, bis Elora ein perfektes mentales Bild des sadistischen Vergewaltigers hatte. Der Clanner, der sie gezeugt hatte, hatte Augen von dieser Farbe gehabt. Damit allerdings endete die Ähnlichkeit. In der wilden Erinnerung ihrer Mutter war er ein muskelbepackter Hüne gewesen. Dieser Mann war in keinster Weise beeindruckend, wodurch er sich für den Beruf eines Attentäters hervorragend eignete. Niemand erinnerte sich an jemanden, der so durchschnittlich aussah wie er.
Das Clanblut, das durch ihre Adern floss, mochte dünn sein, aber sie hatte sich schon als junges Mädchen geschworen, das wettzumachen. Die hastig arrangierte Hochzeit ihrer Mutter mit einem jungen Landgutbesitzer aus Ventrale hatte der Tochter Legitimität und Adelsstand gesichert. Trotzdem haderte Elora mit dem Schicksal. Nicht gut genug für die Clanner? Immer wieder hatte sie sich gesagt, dass Entschlossenheit über genetische Manipulation siegen konnte. Sie würde ihnen ihre Größe beweisen, indem sie Kal Radick ganz Mirach auslieferte.
Natürlich hatte sie keinerlei Antwort auf das Schreiben erhalten, das sie vor so vielen Wochen per Landungsschiff auf den Weg gebracht hatte. Ihr Name sagte Radick gar nichts, aber das würde sich ändern. In gewisser Weise war es ihr sogar egal, ob er ein derart großzügiges Geschenk anerkennen würde. Es war ihr bereits Belohnung genug, nur mit Worten und sorgfältiger Planung eine ganze Welt zu erobern. Sie würde wissen, dass sie es gewesen war, die Ortega abgesetzt und Tortorelli lächerlich gemacht hatte, bevor sie die Macht ergriff.
Aber falls Radick ihr in seiner neuen Ordnung den Posten der planetaren Gouverneurin anbot, würde sie nicht ablehnen. Sie würde ihm und den Stahlwölfen beweisen,
Weitere Kostenlose Bücher