Ruinen der Macht
lehnte sie sich in ihrem komfortablen Chefsessel zurück und war zum ersten Mal seit Tagen restlos zufrieden. Sie schaute an Legat Tortorelli vorbei auf den Panoramablick über Cin-gulum. Mit einer lässigen Bewegung der Hand über einen Infrarotsensor schaltete sie das Bild der Fensterattrappe zu einem Sonnenaufgang um. Dann aktivierte sie eine andere Kontrolle, die eine weitere Serie von Angriffen auf die MBA einleitete. Es war endlich so weit, die Macht auf Mirach neu zu verteilen.
Der plötzliche Lichteinfall aus dem falschen Fenster ließ Calvilena Tortorelli aufschrecken. Er starrte auf die prächtige Szene.
»Es ist die falsche Tageszeit für einen Sonnenaufgang«, bemerkte er und runzelte die Stirn, während er eine Lösung für dieses Rätsel suchte. »Das ist nicht dieselbe Richtung wie vor ein paar Minuten noch. Jetzt blickt das Fenster nach Osten.« Seine Miene hellte sich auf. »Oh, du schlaues Luder. Du hast die Projektion verändert, um mir zu schmeicheln.«
»Dir entgeht nichts, Calvi«, antwortete Elora mechanisch. Ihre Gedanken rasten über ein Dutzend verschiedene Pfade zur Macht. Mit der Vernichtung einer wichtigen AWC-Ausrüstungslieferung nach Kuton war Marta Kinsolvings Plan, ihr Medienmonopol zu brechen, wenn nicht zu zerschlagen, dann doch zumindest gebremst. Aber jetzt spielte das keine Rolle mehr. Das Schicksal hatte es so gewollt, dass Manfred Leclerc an Bord des Frachters gewesen war, und mit seinem Tod hatte die MBA den einzigen erfahrenen Piloten/Kommandeur für ihre Kampftruppe umgebauter ArbeitsMechs verloren. Mehr noch, Leclercs Tod bedeutete das Aus für die 1. Kosaken-Lan-ciers. Die letzte noch auf Gouverneur Ortega eingeschworene Einheit hatte ihren Anführer und Bannerträger verloren.
»Es sieht prächtig aus, Calvi«, stellte sie fest. »Der Morgen eines neuen Tages.«
»Aber es ist immer noch so spät.«
Sie warf einen Blick auf die Einspielung der einzelnen Videokamera, die die hektischen Bergungsanstrengungen auf dem Landungsschiffsfeld übermittelte. Ein anderer Schirm zeigte eine kodierte Nachricht, die die Zustellung des Pakets überflüssigerweise bestätigte. Jemanden zu finden, der die Sabotage durchführte, war leicht gewesen, den militärischen Sprengstoff für diese Aktion zu bekommen, sogar noch leichter. Elora wusste nur zu gut, wie zerstritten Tortorellis Truppen waren. Jemanden zu finden, der ihn loyal gegen Baron Ortega unterstützte und dumm genug war, die Lügen einer attraktiven und mächtigen Frau zu glauben, war ein unterhaltsamer und äußerst erfolgreicher Zeitvertreib gewesen. Natürlich hatte sie jetzt keinen Bedarf mehr für derlei Handlanger. Jetzt konnte sie das Geschehen auf ein größeres Spielbrett verlagern, wo Entscheidungen nicht durch die Platzierung eines einzelnen Bauern fielen, sondern durch die Bewegungen einer gewitzten und äußerst gefährlichen Dame.
»Ein beeindruckendes Paket. Ich hätte, ehrlich gesagt, nicht erwartet, dass der Mann dazu fähig ist«, stellte Tortorelli leise fest. Elora schreckte auf. Sie war in ihren Machtträumen so tief versunken gewesen, dass sie nicht bemerkt hatte, wie der Legat bei seinem nervösen Rundgang durch ihr Arbeitszimmer hinter ihr stehen geblieben war, um sämtliche Kunstgegenstände zu inspizieren. Er legte eine
Hand auf ihre knochige Schulter. »Lass es mich wissen, wenn du in meinem Namen Leute aus meinen Einheiten beauftragst. Ich kann den Erfolg ihrer Missionen sichern. Keiner von uns empfindet sonderliche Zuneigung für Sergio Ortega.«
»Wie Recht du hast, Calvi«, hauchte sie, warf die rote Haarmähne zurück und schaute nachdenklich zu ihm auf. Möglicherweise war er doch nicht ein solcher Narr, wie sie geglaubt hatte.
AWC-Firmenraumfeld, Mirach Präfektur IV, Republik der Sphäre
4. Mai 3133
»Es gibt keine Hoffnung mehr«, stellte Marta Kinsolving fest. Sie biss sich auf die Unterlippe, bis Austin Blutstropfen unter den scharfen weißen Zähnen hervorquellen sah. Doch die Firmenchefin hielt sich kerzengerade, während sie die Fotos von den Überresten des Landungsschiffes betrachtete. »Irgendwelche Strahlungslecks?«
»Ja, aber sie sind harmloser, als ich befürchtet hatte«, antwortete Dr. Penrose. »Den ersten Berichten zufolge gibt es einen nicht weiter bedenklichen Hüllenbruch im Fusionsreaktor, der bereits repariert wird. Das Ausmaß der Explosion war mehr eine Folge der Entzündung flammbarer Chemikalien an Bord des Landungsschiffes durch die Hitze, und die sind
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