Rum Diary: Roman zum Film (German Edition)
schien. Wir tranken weißen Rum, von dem Sanderson behauptete, er sei viel besser als Gin, und gegen Mitternacht waren wir alle betrunken genug, um an den Strand zu gehen und nackt im Meer zu baden.
Nach dieser Nacht hielt ich mich bei Sanderson beinahe so oft auf wie bei Al. Sein Apartment sah aus, als wäre es in Hollywood für ein karibisches Filmset entworfen worden. Es war direkt am Meer, in der unteren Hälfte eines alten stuckverzierten Hauses am Stadtrand. Das Wohnzimmer hatte ein Kuppeldach und einen Deckenventilator und war durch eine große Tür mit einer verglasten Veranda verbunden;
dahinter lag ein Palmengarten mit einem Tor zum Strand. Die Veranda befand sich oberhalb des Gartens, und nachts bei einem Drink konnte man bis zur Stadt sehen. Ab und zu fuhr in der Ferne ein hell beleuchteter Luxusdampfer vorüber, der St. Thomas oder die Bahamas ansteuerte.
Wenn wir zu viel getrunken hatten oder die Nacht zu warm war, nahmen wir uns Handtücher und gingen hinunter an den Strand zum Schwimmen. Danach gab es guten Brandy, und wer zuviel hatte, legte sich ins Gästebett.
Nur drei Dinge störten mich dort: Sanderson selbst, der ein so exzellenter Gastgeber war, daß ich mich fragte, wo der Haken war; der unvermeidliche Segarra; und schließlich ein Mann namens Zimburger, der die obere Hälfte des Hauses bewohnte.
Zimburger war eher Tier als Mensch – groß, dickbäuchig und glatzköpfig. Er hatte eine Visage wie aus einem fiesen Comic und gab vor, ein Investor zu sein. Ständig redete er davon, hier und dort Hotels zu bauen. Doch soweit ich es mitbekam, machte er nichts weiter, als jeden Mittwochabend zum Reservistentreffen der Marines zu gehen. Anscheinend kam Zimburger nicht darüber hinweg, daß er früher beim Korps der Captain gewesen war. Jeden Mittwoch Nachmittag zog er seine Uniform an und kam hinunter zu Sanderson auf die Veranda und trank, bis er zu seinem Treffen ging. Manchmal trug er die Uniform auch am Montag oder Freitag – mit irgendeiner fadenscheinigen Begründung.
»Besondere Schulung heute«, sagte er dann. »Kommandant Soundso will, daß ich beim Schießunterricht aushelfe.«
Dann lachte er und holte sich einen neuen Drink. Niemals
nahm er seine Übersee-Mütze ab, auch dann nicht, wenn er fünf oder sechs Stunden im Haus gewesen war. Er trank ohne Pause, und wenn es dunkel wurde, war er völlig besoffen und schrie herum. Er ging unruhig auf der Veranda oder im Wohnzimmer auf und ab, knurrte vor sich hin und schimpfte über die »Feiglinge und Lackaffen in Washington«, die die Marines nicht nach Kuba schicken wollten.
»Dann geh eben ich!« brüllte er. »Verdammt, dann geh eben ich! Einer muß die Schweine ja in den Boden stampfen!«
Oft trug er Pistolengürtel und Halfter – die Pistole selbst mußte er in der Kaserne lassen –, und manchmal schlug er mit der Hand gegen seinen Stiefel und brüllte einen imaginären Feind draußen vor der Tür an. Es war erbärmlich, ihm zusehen zu müssen, wie er nach seiner Pistole griff; er schien zu denken, sie hinge tatsächlich an seiner schwabbeligen Hüfte, »so wie damals auf Iwo Jima«. Wenn er ging, war ich jedes Mal erleichtert.
Ich versuchte, Zimburger aus dem Weg zu gehen, wo ich nur konnte. Manchmal aber tauchte er ohne jede Vorwarnung auf. Wenn ich zum Beispiel ein Mädchen zum Essen mitbrachte, unterhielten wir uns noch eine Weile – und plötzlich trommelte jemand gegen die Glastür. Das konnte nur er sein, mit gerötetem Gesicht, durchgeschwitztem, khakifarbenen Hemd und seiner Übersee-Mütze, die schief auf seinem patronenkugelrunden Kopf saß. Er setzte sich zu uns, für Gott weiß wie lang, und verzapfte etwas von einer internationalen Katastrophe, die man leicht hätte abwenden können, »wenn man die gottverdammten Marines nur rangelassen hätte, statt uns einzupferchen wie die Hunde.«
Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte man einen
tollwütigen Hund wie Zimburger nicht nur einpferchen, sondern abknallen sollen. Ich konnte nicht begreifen, wie Sanderson so jemanden aushielt. Und nicht nur das. Sanderson war ausnahmslos liebenswürdig gegenüber Zimburger, selbst wenn jeder sofort begriff, daß man den Kerl in einen Sack stecken, fest verschnüren und ins Meer hätte rollen sollen. Ich vermutete, daß Sanderson einfach zu sehr der PR-Mann war. Ich sah ihn kaum einmal die Geduld verlieren. Dabei hatte er es in seinem Job mit mehr Langweilern, Arschlöchern und Blendern zu tun als jeder andere auf der
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