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Rum Diary: Roman zum Film (German Edition)

Rum Diary: Roman zum Film (German Edition)

Titel: Rum Diary: Roman zum Film (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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geregelte Zukunft  – soweit das jedenfalls möglich war. Er hatte das ungute Gefühl, daß die wichtigen Dinge im Leben ohnehin nur schwer zu kontrollieren sind und man nie genau weiß, ob sie für oder gegen einen arbeiten. Er sprach gern von den entscheidenden Dingen, die jede Minute überall auf der Welt passieren konnten. Der Aufstieg des Kommunismus machte ihm Sorgen, weil das nur heißen konnte, daß man ihn als individuelles Wesen übergehen würde. Die Situation der Juden deprimierte ihn, weil das nur heißen konnte, daß immer ein Sündenbock gebraucht wurde, und früher oder später wäre er selbst an der Reihe. Es gab noch andere Dinge, die ihn ständig beunruhigten: die Brutalität des Kapitalismus, der seine Talente ausbeutete; die Dumpfheit amerikanischer Touristen, die seinen Ruf ruinierten; die Dummheit der Puertoricaner, die sein Leben gefährdeten; und schließlich – warum, weiß ich auch nicht – sogar die Horden umherstreunender Hunde in San Juan.
    Das Merkwürdige an Sala war, daß er keinen Abstand zu den Dingen hatte. Er erinnerte mich an einen Fußballfan, der plötzlich auf den Platz rennt und einen Spieler attackiert. Überhaupt war das Leben für ihn ein einziges großes Spiel – mit dem Team von Sala gegen den Rest der Welt. Er glaubte an großartige Gewinnchancen, und bei jeder Partie ging es für ihn ums Ganze. Doch auch wenn er das Geschehen wie ein Besessener verfolgte, war er eigentlich nur wie ein Fan, der Ratschläge erteilt, die keiner hören will – eben weil er nur Fan ist und das Team nicht
anführt und es niemals tun wird. Und wie alle Fans machte es ihn fertig zu wissen, daß ihm nur eine letzte Möglichkeit blieb: auf das Spielfeld zu rennen und Krawall zu schlagen – um dann unter dem Gelächter des Publikums vom Platz geschleift zu werden.
     
    Wir schafften es nicht mehr bis zur Universität und mußten umkehren, weil Sala einen epileptischen Anfall bekam. Meine Nerven lagen blank. Sala aber kam bald wieder klar. Auf dem Rückweg fragte ich ihn, wie er es geschafft hatte, seinen Redakteursjob schon über ein Jahr durchzuhalten. Er lachte. »Wer sollte es sonst machen? Hier auf der Insel bin ich der einzige Profi.«
    Wir standen im Stau und kamen kaum vorwärts, und er wurde irgendwann so nervös, daß er mir das Steuer überließ. Als wir in der Redaktion eintrafen, war der fiese Mob verschwunden. Dafür herrschte im Redaktionszimmer helle Aufregung. Tyrell, das Arbeitstier, hatte gerade gekündigt, und Moberg war von den Gewerkschaftstypen halb tot geschlagen worden. Sie hatten ihn vor dem Gebäude zu fassen gekriegt und sich für die Prügel gerächt, die sie von Yeamon bezogen hatten.
    Lotterman saß auf einem Stuhl inmitten der Nachrichtenredaktion und grummelte vor sich hin, während zwei Cops mit ihm ernsthaft zu reden versuchten. Ein paar Schritte weiter saß Tyrell ruhig an seinem Tisch und machte seine Arbeit. Er hatte erst zur nächsten Woche gekündigt.

4
    WIE NICHT ANDERS ZU ERWARTEN, war mein Gespräch mit Segarra reine Zeitverschwendung. Wir saßen fast eine Stunde lang an seinem Tisch, tauschten Belanglosigkeiten aus und lachten über unsere eigenen Witze. Obwohl er perfekt Englisch beherrschte, gab es eine Barriere zwischen uns, und ich spürte sofort, daß wir uns nie richtig verstehen würden. Ich hatte den Eindruck, daß er eine Menge über das, was auf Puerto Rico los war, wußte; nur von Journalismus hatte er keine Ahnung. Es klang vielleicht vernünftig, wenn er wie ein Politiker sprach, aber es war schwer, sich ihn als Herausgeber einer Tageszeitung vorzustellen. Er dachte, es würde reichen, Zahlen und Fakten zu kennen. Und allein die Vorstellung, das eigene Wissen weiterzugeben, noch dazu an eine breite Öffentlichkeit – das hätte er als Ausverkauf angesehen. Ein einziges Mal versetzte er mich in Staunen – als er erwähnte, daß er zusammen mit Sanderson an der Columbia studiert hatte.
    Ich brauchte lange, bis ich begriff, welche Funktion Segarra bei der NEWS wirklich hatte. Er hieß zwar offiziell »Der Herausgeber«, aber er war vor allem ein schmieriger Geschäftstyp, und ich schenkte ihm keine weitere Beachtung.
    Vielleicht war er auch der Grund, warum ich in Puerto Rico keine einflußreichen Freunde fand – oder wenigstens nicht die, die ich hätte finden können. Wie mir Sanderson eines Tages schonend beibrachte, stammte Segarra aus
einer der wohlhabendsten und mächtigsten Familien auf der Insel. Sein Vater war

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