Rum Diary: Roman zum Film (German Edition)
schob ich schnell nach.
Sie lachte. »Ich nenne ihn Fritz. Das ist sein zweiter Vorname – Addison Fritz Yeamon. Ist das nicht toll?«
Ich stimmte ihr zu. Für mich war er immer nur Yeamon gewesen. Wenn ich es mir genau überlegte, wußte ich fast nichts von ihm.
Im Laufe dieser Abende bei Al hatte ich so gut wie jede Lebensgeschichte der Leute von der Zeitung gehört. Nur Yeamon ging jedes Mal nach der Arbeit direkt nach Hause, und inzwischen sah ich in ihm einen Einzelgänger ohne Vergangenheit und mit einer so ungewissen Zukunft, daß jedes Gespräch darüber sinnlos erschien. Trotzdem hatte ich das Gefühl, daß wir uns gut genug kannten, um nicht viel reden zu müssen. Ich hatte von Anfang an einen direkten Draht zu ihm gespürt, es gab eine Art stillschweigendes Übereinkommen zwischen uns: Gespräche in diesen Runden bedeuten nicht viel. Ein Mann, der wußte, was Sache war, hatte wenig Zeit – und würde sich nicht zurücklehnen und große Erklärungen abgeben.
Auch über Chenault wußte ich kaum etwas, außer daß sie sich verändert hatte, seit ich sie am Flughafen zum ersten Mal gesehen hatte. Sie war braun gebrannt und glücklich – und hatte kaum noch etwas von jener nervösen Energie, die so unübersehbar gewesen war, als sie noch in ihrem Sekretärinnen-Kleidchen unterwegs gewesen war. Nicht alles davon war verschwunden. Irgendwo unter ihren offenen blonden Haaren und diesem freundlichen
Kleinmädchen-Lächeln spürte ich etwas, das mit aller Macht nach außen drängte. Das machte mich ein bißchen unruhig; und dazu kam, daß ich mich an meine anfängliche Lust auf sie erinnerte – und an die morgendliche Szene, als ich sie mit Yeamon ineinander verschlungen im Wasser gesehen hatte. Ich mußte auch an die beiden spärlichen weißen Stoffstreifen an ihrem kleinen reifen Körper im Patio denken. All das kreiste in meinem Kopf, als ich mit ihr bei Al saß und mein Frühstück verspeiste.
Es gab Hamburger mit gebratenen Eiern. Als ich gerade nach San Juan gekommen war, bestand das Menü bei Al noch aus Bier, Rum und Hamburgern. Es war ein unberechenbares Frühstück, und einige Male war ich schon betrunken in der Redaktion angekommen. Eines Tages verlangte ich Kaffee und gebratene Eier. Er lehnte ab, doch ich ließ nicht locker, und jetzt gab es zum Frühstück Hamburger mit Eiern und statt Rum Kaffee.
»Hast du vor hierzubleiben?« fragte ich und sah sie an.
Chenault lächelte. »Weiß nicht genau. Meinen Job in New York habe ich gekündigt.« Sie schaute in den Himmel hinauf. »Ich will einfach nur glücklich sein. Mit Fritz bin ich glücklich – und deshalb bin ich hier.«
Ich nickte nachdenklich. »Ja, das klingt einleuchtend.«
Sie lachte. »Es wird nicht ewig halten. Nichts hält ewig. Aber jetzt bin ich glücklich.«
»Glücklich«, murmelte ich und versuchte aus dem Wort schlau zu werden. Es ist eines dieser Wörter, so wie Liebe, die ich nie richtig verstanden habe. Die meisten Leute, die mit Sprache zu tun haben und damit ihr Geld verdienen, haben kein großes Vertrauen in diese Wörter. Ich bin da keine Ausnahme – besonders wenn es die ganz großen Wörter wie Glücklich und Liebe und Ehrlich und Stark sind. Sie sind schwer zu fassen im Vergleich zu den
kleinen, präzisen Wörtern wie Penner, Billig oder Falsch. Weil sie dürr sind und leicht festzupinnen, fühle ich mich bei ihnen zuhause. Um den großen Wörtern trauen zu können, müßte man Priester sein oder vielleicht verrückt.
Ich war noch nicht soweit, Chenault irgendein Etikett anzuheften und versuchte das Thema zu wechseln.
»An welcher Geschichte arbeitet er gerade?« fragte ich und bot ihr eine Zigarette an.
Sie schüttelte den Kopf. »Noch immer an derselben«, antwortete sie. »Er quält sich furchtbar damit – die Sache mit den Puertoricanern, die nach New York gehen.«
»Verflucht«, sagte ich. »Ich dachte, er wäre längst fertig.«
»Nein«, sagte sie. »Sie haben ihm immer neue Aufträge gegeben. Aber heute muß er endgültig abliefern – er sitzt gerade daran.«
Ich zuckte die Achseln. »Zum Teufel, er soll es sich nicht zu schwer machen. Eine Geschichte mehr oder weniger für dieses lausige Blatt – was macht das schon für einen Unterschied.«
Etwa sechs Stunden später fand ich heraus, daß es sehr wohl einen Unterschied machte – wenn auch in einem anderen Sinn. Nach dem Frühstück begleitete ich Chenault zur Bank. Dann ging ich arbeiten. Es war gegen sechs Uhr, als Yeamon
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