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Rum Diary: Roman zum Film (German Edition)

Rum Diary: Roman zum Film (German Edition)

Titel: Rum Diary: Roman zum Film (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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Insel.
    Auch seine Ansichten über Puerto Rico waren grundsätzlich anders als alles, was ich bei der NEWS gehört hatte. Er habe noch nie so viel Potential gesehen wie hier, sagte er. In zehn Jahren würde das hier das Paradies sein – die neue amerikanische Goldküste. Die Aussichten seien so großartig, daß es ihm schon beim Gedanken daran den Atem verschlüge.
    Sanderson war hin und weg, wenn er darüber sprach, was alles möglich war auf Puerto Rico, aber ich war mir nie ganz sicher, wieviel er selbst von seinem Gerede glaubte. Ich widersprach ihm, und er wußte ja, daß ich ihn nicht ganz ernst nahm.
    »Hör auf, mich so schief anzugrinsen«, sagte er dann. »Ich hab doch selbst schon für die Zeitung gearbeitet – ich weiß, was diese Idioten sagen.«
    Und er ließ nicht locker. »Woher nimmst du überhaupt deine Arroganz?« sagte er dann. »Hier ist es den Leuten egal, ob du in Yale studiert hast. Für die Menschen hier bist du nichts anderes als ein mieser kleiner Reporter, noch so ein Penner von der DAILY NEWS.«
    Die Sache mit Yale war ein ätzender Witz. Ich war nie näher als fünfzig Meilen an New Haven herangekommen.
Aber in Europa hatte ich gelernt, daß es viel einfacher zu sagen war, ich hätte einen Abschluß in Yale gemacht – als zu erklären, warum ich nach zwei Jahren mein Studium in Vanderbilt abgebrochen hatte und als Freiwilliger zur Armee gegangen war. Ich hatte Sanderson nie erzählt, daß ich in Yale gewesen wäre; er mußte es von Segarra haben, der meinen Brief an Lotterman gelesen haben mußte.
    Sanderson war zuerst auf der Universität von Kansas gewesen, dann auf der Columbia. Zwar behauptete er, stolz auf seine Herkunft aus den Farmer-Staaten im Mittleren Westen zu sein. Doch es war ihm so offensichtlich peinlich, daß er mir leid tat. Einmal, als er betrunken war, erzählte er mir, daß jener Hal Sanderson aus Kansas längst tot sei, gestorben auf der Fahrt im Zug nach New York; und daß der wahre Hal Sanderson in dem Moment geboren wurde, als der Zug in die Penn-Station einfuhr.
    Natürlich war das gelogen. Trotz seiner karibischen Kleider, seiner Madison-Avenue-Manieren, sogar trotz seines Apartments direkt am Meer und seines Alfa Romeo Roadster steckte dermaßen viel Kansas in Sanderson, daß es kaum auszuhalten war, wenn er es abstritt. Kansas war nicht das Einzige, was er mit sich herumtrug. Hinzu kam eine Menge New York, ein bißchen Europa. Und da war noch etwas anderes, das zu keinem Land gehörte – und sein Leben wahrscheinlich am meisten prägte. Als er mir das erste Mal erzählte, daß er einem Psychiater in New York zweitausendfünfhundert Dollar schuldete und fünfzig Dollar pro Woche für einen in San Juan ausgab, war ich sprachlos. Von da an sah ich ihn in einem anderen Licht.
    Doch für verrückt hielt ich ihn nicht. Und für ehrlich natürlich auch nicht, und lange Zeit dachte ich, daß Sanderson einer von jenen unehrlichen Typen war, die hin-und
herschalteten, wie es ihnen gerade paßte. Mir gegenüber schien er halbwegs aufrichtig zu sein, und in den seltenen Momenten, wo er entspannt war, fühlte ich mich äußerst wohl bei ihm. Aber es kam nicht oft vor, daß er seine Maske fallen ließ, und wenn, dann meistens unter dem Einfluß von Rum. Er konnte sich so selten entspannen, daß er in seinen natürlichen Momenten unbeholfen, kindisch und fast schon pathetisch wirkte. Vermutlich hatte er sich so weit von sich selbst entfernt, daß er selbst nicht mehr wußte, wer er eigentlich war.
    Trotz all seiner Fehler respektierte ich ihn. Sanderson war nach San Juan als Reporter für ein neues Blatt gekommen, das die meisten für einen Witz hielten. Drei Jahre später war er Vize-Präsident der größten Public-Relations-Firma in der Karibik. Er hatte verdammt hart dafür gearbeitet, und auch wenn mir das alles nicht viel bedeutete, mußte ich zugeben, daß er seine Sache gut machte.
    Sanderson hatte gute Gründe für seinen Optimismus.
    Durch seine Stellung bei Adelante war er an Geschäften beteiligt, mit denen er mehr Geld verdiente, als er ausgeben konnte. Ich hatte keinen Zweifel, daß er in spätestens zehn Jahren Millionär sein würde – wenn nicht gerade die Honorare der Analytiker in die Höhe schossen. Er selbst tippte auf fünf Jahre, aber ich rechnete lieber mit zehn – es erschien mir fast schon unanständig, mit Geschäften wie diesen Millionär zu werden, ehe man vierzig war.
    Überhaupt wurde ich den Verdacht nicht los, daß Sanderson die

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