Rumgurken: Reisen ohne Plan, aber mit Ziel (German Edition)
rätselhafte Autobahnspange (hinter der Metrostation Trindade, einem Meisterwerk von Souto de Moura), sie soll eine Kreuzung entlasten. Staus an der Kreuzung gibt es aber nach wie vor, man kann also beides benutzen, entlastet wird gar nichts. Die Spange steht auf Stelzen, so wie die vielen herrlichen, übereinandergeschichteten Kettenglieder Tokios, Autobahnen und Kanäle, überhaupt das Japanische an Portugal, oder umgekehrt, es ist ja nicht nur das Danke, das die Portugiesen den Japanern überlassen haben (Obrigado/Arigato) , und dass sie ihnen beigebracht haben, wie man Tempura macht, kannten sie ja alles nicht. Knöpfe auch nicht, die kamen auch von den Portugiesen, und außerdem verbindet beide Nationen das ständige Lachen, Keckern eher, selbst bei Tragödien, wie den aktuellen in beiden Ländern, Finanzkollaps, Nuklearkatastrophe, aber es ist kein Lachen, wie wir es verstehen, wenn man uns kitzelt oder wenn wir einen Hund mit drei Beinen sehen, sondern eine soziale Technik, um mit ausweglosen Situationen fertigzuwerden. Und wenn das Portugiesische gesprochen klingt, als würde ein halskranker Holländer versuchen, Russisch zu gurgeln, all diese Nasallaute, so klingt es gesungen wie Japanisch. Man höre sich nur mal die Schnulzen von Amália Rodrigues an, während die sie begleitende Gitarre überraschenderweise wie eine Anton-Karas-Zither scheppert, genau die Musik dudelt übrigens gerade in der Portista Marisqueria, während ich schwach am Tresen hänge, aber vielleicht ist hier auch nur der Wunsch Vater des Gedankens. Es ist einfach zu viel Japan hier in dieser Ecke, beziehungsweise Nagasaki, die europäischste Stadt Japans, auch da stinkt es nach Katzenpisse, die Katzen dort haben allerdings alle eigenartigerweise keine Schwänze, irgendjemand muss sie ihnen abgeschnitten haben, spät in der Nacht, ohne Zeugen. Und was soll ich sagen? Beim anschließenden Googeln, mit wem denn Porto so städteverpartnert ist, kommt doch tatsächlich Nagasaki raus. Jena ist übrigens auch mit Porto auf diese Art verbunden, die Stadt, in der ich kurz vor dem ersten Portotrip meine Unschuld ließ, na bitte, sie hieß Ute, hallo Ute, wie geht’s dir?
Wieder im Hotelzimmer (Albergaria Miradouro, dieser mächtige Aztekentempel), erfahre ich aus dem Fernsehen, dass Prinz Charles gerade ebenfalls im Lande weilt. Man sieht ihn beim Besuch einer Landwirtschaftsmesse eine mittelgroße Tomate verschlingen. Er nimmt sie ganz in den Mund, nun stellt man sich vor, wie es ausgesehen hätte, wenn sie im Rachenraum ungünstig geplatzt und dem Prinzen der Schleim des Paradeisers aus der Nase geschossen wäre, ich hätte das als Zeichen der Solidarität mit meiner eigenen Limnizität wertgeschätzt.
Nicht wirklich überrascht war ich, als, während ich einen Tag darauf in einem schmierigen Laden, einer beliebten Traditionsfressanstalt namens Conga-Casa das Bifanas kauere, da gibt’s Codorniz, in widerlicher Schweinefleischsuppe gegarte Wachteln, draußen plötzlich Blaulicht zuckt. Ein Konvoi, ich hab ihn am Zinken erkannt, oder waren es die Ohren, durch die sich das Zwielicht streute? Charles, Chucky, die Sohnespuppe, fuhr vorbei, ohne auch nur zu ahnen, was sich hier drinnen für Dramen abspielen. Im Conga stinkt es erbärmlich, nach dieser mit Bier, Portwein und Pfeffer gewürzten Schweinebrühe, die Tag und Nacht brodelt, deren Kessel laut Informationen meiner Gewährsleute niemals gereinigt wird, worauf der Besitzer ganz besonders stolz zu sein scheint, Gesetzesbrüche feiern hier fröhliche Urständ. Immer wieder stolziert er durch seinen Laden und verteilt klebrige Karamellbonbons an die Gäste, generös wie ein Fürst an sein Volk, denn er hat zu allem Überfluss zu seiner brummenden Bude auch noch zweimal hintereinander im Lotto gewonnen. Die Bonbons sollen wohl im Nasenrachenraum diesen pestilenzialischen Brodem überlagern. Interessanterweise ging es mir nach dem Besuch der Kaschemme erheblich besser, als habe das Miasma die bösen Kräfte aus meiner siechen Hülle verblasen, Elend mit Elend beikommen, Methode Gegenschmerz. Vielleicht war mein Körper einfach nur erleichtert, dass er aus dieser Stinkestube herauskam, und zeigte sich auf diese Art erkenntlich.
An einem Abend gehe ich zu einer Lesung von Ingo Schulze, dem Ostdeutschen mit den Ringelhaaren wie Oberst Gaddafi, er liest in einer Buchhandlung namens Gato Vadio, passt ja, Räudige Katze. Eingeführt wird Schulze vom verehrungswürdigen Hubert Winkels,
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