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Rumgurken: Reisen ohne Plan, aber mit Ziel (German Edition)

Rumgurken: Reisen ohne Plan, aber mit Ziel (German Edition)

Titel: Rumgurken: Reisen ohne Plan, aber mit Ziel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tex Rubinowitz
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worauf der jeweilige Kadidat vortritt und mir eine Frage stellt, etwa, ob ich etwas von Moody Blues oder Procul Harum hätte, also die bekannte Abteilung konsensuellen Schmalzes. Ich verneine aufrichtig bedauernd, weil die Wünsche von Geschmack, Kenntnis und Stil zeugen, dann schiebt der Kandidat mir seine Faust entgegen, die ich mit meiner verfehle, Feargus und der Kandidat freuen sich wie kleine quecksilbrige Kinder über einen bunten Ball oder dergleichen, dann laufen sie wieder in ihre Gruppe, und Feargus holt einen neuen Kollegen. Sie sind hier im Lande, stellt sich im Laufe des Abends heraus, wegen Eduardo Elísio Machado Souto de Moura, der an diesem Tag überraschenderweise den Pritzkerpreis bekommen hat, den Architekturnobelpreis, was sie völlig glücklich macht und jetzt gefeiert werden muss, denn sie alle sind natürlich glühende Fans von Souto de Moura. Ein polnisches Zwillingspaar ist in der Gruppe (ich nenne sie der Einfachheit halber Lolek & Bolek, was sie mir aber nicht weiter übelnehmen), eine Litauerin, die aussieht wie ein anämisches Fragezeichen, sogar ein Schotte, klein und dick, der unglaublich gerührt ist, dass ich mit ihm in seinem Dialekt reden kann (hab ich von Edwyn Collins gelernt), alle adrett, schüchtern und höflich, Feargus, offensichtlich der Anführer und Mutigste der Gruppe, meint irgendwann, ich solle unbedingt mit meinen Platten in Irland touren («You can make a fortune»).
    Einmal, als drei Studenten um mich stehen und mir aufmerksam zuschauen, fragt Feargus, welche denn meine Lieblingsfigur bei den Simpsons sei, mit wem ich mich am ehesten identifizieren könne, ob das Moe sei? Mir ein Rätsel, warum ich auf sie moehaft wirke, hab ich etwas Moehaftes an mir? Moe Szyslak, der perverse Tavernenwirt, der ein Kuhherz hat und jedes Mal sieben Jahre altert, wenn er weint, er trägt alkoholgetränkte Kleidung und hat im Hinterstübchen seiner Kneipe eine Rattenmelkanlage, nein, das bin ich nicht. Ich will zuerst sagen, dass ich mich als Capital-City-Knalltüte sehe, weiß in diesem Moment allerdings nicht, wie sie im Original heißt, dann fällt mir ein, dass mir wohl Gil Gunderson noch viel näher steht, der arme alte Gil, der noch nie einen Job länger als ein paar Tage behalten hat, der Verzweifelte, sich abstrampelnde Nervöse, Jack Lemmon in David Mamets «Glengarry Glen Ross» nachempfunden, was augenblicklich ein unglaubliches Gejohle der Archtitekturstudenten auslöst. Sie sprechen ganze Gunderson-Textpassagen nach, unterstützt durch seine Verzweiflungsmimik und -gestik, auf Knien rutschend, bettelnd: «Aw, c’mon, do it for ol’ Gil!», sie schreien vor Lachen und machen die verrutschte Bro Fist, Gesten- und Grußtänze auf dem Tanzflur, so seltsam, dass dem Grotesktanznestor Merce Cunningham einer abgegangen wäre. Ich bin gerührt und spiele ihnen zum Dank «Sunshine, Lollipops and Rainbows» von Lesley Gore, das sie Wort für Wort mitsingen können. O.k., Homer singt das ja auch in irgendeiner Folge mit Chief Wiggum, in der Thelma-und-Louise-Folge, in der sie die flüchtende Marge und ihre Nachbarin Ruth verfolgen, ich liebe diese Studenten, sie haben den Bogen raus. Kann man sich ein besseres Publikum wünschen, kann es sein, dass Architekturstudenten generell die nettesten Studenten sind? Ich hätte nichts dagegen, mit einem Publikum wie diesem auf Tournee zu gehen, sie als Eintänzer mitzunehmen. Hätte noch gefehlt, dass Souto de Moura aufgetaucht wäre und wild mitgetanzt hätte, dann wäre das Glück für alle Beteiligten vollkommen gewesen, das wäre dann einer dieser legendären Abende, die jedem Menschen nur sieben Mal in seinem Leben vergönnt sind. Gibt eine wissenschaftliche Studie drüber, von mir natürlich, in meinem Kopf innendrin.
    Am Ende, um fünf Uhr morgens, liegen sich alle selig in den Armen und schwofen sich windelweich zum Rausschmeißer «The Coldest Night of the Year», aber nicht die Version von April Stevens und Nino Tempo, sondern jene gehauchte von Vashti Bunyan, die einem den Stecker rauszieht und das Mark in den Knochen stocken lässt. Bolek schmust mit irgendeiner, Lolek, sein Bruder, ist bereits gegangen, Feargus, der sich wohl etwas übernommen hat, hängt wie der sprichwörtliche Schluck Wasser in der Kurve, er ist der letzte Gast und will mit mir mitgehen, will meine kleine Plattentasche tragen, bietet sich als mein Assistent an. Ich schicke ihn nach Hause, schreibe auf einen Zettel FEARGUS IST EIN GUTER SCHÜLER UND

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