Rummelplatz
Runde, die dritte ging an Hecht. Nach der vierten Runde, die wiederum Richard verlor, begannen sie einen Pfennigskat, erhöhten später auf fünf Pfennige. Zwischendurch fragte Hecht, auf welchem Schacht Peter arbeite und warum man ihn unten in Chemnitz gar nicht mehr zu sehen bekomme. Peter wich aus, erklärte, mehr als hier oben sei da unten ja auch nicht los. Es zeigte sich aber, daß der Gedanke an die Stadt, in der er geboren war, einmal entstanden, sich nicht so einfach wieder wegwischen ließ. Weiß Gott, dachte Peter, warum fahre ich nicht zum großen Schichtwechsel hinunter? Man müßte doch einmal nachschauen, wie es jetzt da aussieht. Bei dieser Gelegenheit verlor er einen Null ouvert mit Kontra in der Bockrunde, der kostete ihn vierzig Mark.
Mit einem kleinen Rotspiel gewann er sechs Mark zurück. Dann aber war die Karte plötzlich wie verhext, zwanzig Minuten lang bekam Peter kein Spiel. Er zahlte zwei Mark, zahlte acht Mark, zahlte drei Mark, und Richard versicherte ihm fortwährend, so, ganz genau so, sei es ihm in der ersten Runde ergangen. Hecht riß den blöden Witz vom Unglück im Spiel, das Glück in der Liebe bringe, und erzählte nebenher, welche Kapellen jetzt in welchen Chemnitzer Tanzgaststätten spielten. Ja, dachte Peter, warum nicht? Man müßte sich das alles wieder einmal ansehen. Man versauert ja völlig. Man müßte auch einmal nachschauen, wie sich die Dinge zu Hause entwickelt hatten. Zwar hatte ihm niemand eine Träne nachgeweint, als er wegging, am wenigsten der Stiefvater, aber das war über zwei Jahre her, und allerhand Wasser war inzwischen die Mulde hinabgeflossen. Auch Freunde gab es dort, Kumpels, es war keiner darunter, mit dem man hätte durch dick und dünn gehen können, immerhin aber war es ganz interessant, zu wissen, was aus den Leuten so geworden |246| war. Und während er am Biertisch saß, in der eintönig verräucherten Bahnhofskneipe, während er vergeblich auf ein gutes Blatt wartete, sah er die Orte vor sich, die er damals gern aufgesucht, an denen man sich getroffen hatte, die Schloßteichinsel und das Stadtbad, letzteres besonders im Winter, den abgesoffenen Steinbruch im Zeisigwald und die Straßenecke am Brühl vor Milda Pollerts Gemischtwarenladen; Kräutertee, Postkarten, Kragenknöpfe und Salmiakpastillen en détail.
Hecht gab ihm das langerwartete Spiel, vier Asse, drei Zehnen, dazu Karojunge und zwei Könige. Peter spielte Grand. Als Hecht contra gab, hätte er eigentlich gewarnt sein müssen, aber er hatte Kreuzas und Rotas gedrückt, er bot Ré. Natürlich gab Hecht Sub, er hatte drei Buben auf der Hand und außerdem Pik blank vor einer langen Karo. Vielleicht wäre das Spiel dennoch zu gewinnen gewesen, wenn Peter nämlich nicht ausgerechnet sein blankes Karoas angespielt hätte. So aber bekam er zwei Luschen, was insgesamt dreiunddreißig ausmachte, auf das Pikas stach Hecht ein, holte ihm dann den Karobuben weg und spielte fünfmal Karo nach, ließ ihn dann mit Rot ins Spiel kommen, um gleich darauf auch noch den Rotkönig zu stechen, das machte genau Sechzig. Grand ohne Dreien Spiel vier macht achtzig, verloren hundertsechzig, das kostete mit Kontra, Ré und Sub hundertachtundzwanzig Mark.
Hecht und Richard taten, als täte es ihnen leid. »Das ist aber auch Pech«, sagte Hecht, indem er das Geld einsteckte. Richard meinte, auf ein solches Blatt könne man schließlich auch kein Ré riskieren, selbst wenn man die Hunderter noch so dicke hätte. Peter spielte anstandshalber eine Revanche-Runde, die letzte. Idiot, sagte er zu sich, dreimal hirnverbranntes Rindvieh, konntest du’s nicht wirklich beim Kontra genug sein lassen? Aber du wolltest es ihnen zeigen, du verdammter Angeber, und dafür haben sie dich ja nun gründlich rasiert. Die Sucht, wenigstens etwas von dem Verlorenen |247| zurückzugewinnen, hieß ihn noch einige gewagte Spiele machen. Nun ist es egal, redete er sich ein, alles oder nichts. Er gewann auch tatsächlich ein paar Mark zurück. Jetzt hast du eine Glückssträhne, redete er sich zu, jetzt mußt du bei der Stange bleiben, wer nichts wagt, kommt nicht nach Waldheim. Als er aber erneut mit fünfunddreißig Mark einbrach, als der Grubenschlosser Richard ihm zuredete, jetzt, wo es am spannendsten sei, doch nicht etwa auszusteigen, als auch Hecht auf ihn einzureden begann, brachte er schließlich doch noch soviel Nüchternheit auf, die Runde abzusagen.
Er ging zur Toilette und zählte sein Geld. Von den neunhundert Mark waren
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