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Rummelplatz

Rummelplatz

Titel: Rummelplatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Bräunig
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keine Lutten. Es war aber irgendwie doch immer weitergegangen. Hermann Fischer wußte selbst nicht mehr, wie sie das immer wieder geschafft hatten. Sie hatten es aber geschafft.
    Kumpel kamen ihnen entgegen, mit Bohrgerät beladen, und an der Gefällestrecke trafen sie die sowjetische Geologin Rumjanzewa, die unter Tage Tanuschka hieß. »Nu«, sagte sie, »Tawarischtsch Germann, alles ist gut?« Und Hermann Fischer sagte: »Gott, es geht so.« Er gab ihr ein paar Zahlen aus seinem Steigerbuch, die eigentlich für den Markscheider bestimmt waren; irgendwo stimmten die Vermessungen nicht. Die Geologin schrieb sich alles auf in zierlicher Mädchenschrift. »Nu gut«, sagte sie, »werden wir sehen.« Als sie weiterging, sagte sie lächelnd: »Glück auf, Tawarischtsch Krieg und Frieden!«
    Darauf war Hermann Fischer stolz. Er wußte, daß die Kumpel ihn heimlich so nannten, der Name hing ihm an seit seinen ersten Wismuttagen. Aber nur Tanuschka nannte ihn offen so, sie kannte den Alten genau und wußte, daß er darüber nicht böse war. Das war im Frühjahr sechsundvierzig gewesen, auf der letzten Gewerkschaftsversammlung vor dem Vereinigungsparteitag. Wer für den Frieden ist, hatte Hermann Fischer gesagt, der ist auch für die Vereinigung. Die Spaltung hat uns immer nur Krieg gebracht. Und wenig später, als Not am Mann war, hatte er gesagt: Seid ihr für den Krieg? Oder seid ihr für den Frieden … Wer für den Frieden ist, der fährt am Sonntag Sonderschicht! Seitdem hieß er so. |45| Geh doch zu Krieg und Frieden, hieß es, wenn einer nicht weiter wußte. Krieg und Frieden war die Personalunion von Steiger und Parteisekretär. Und manchmal war Krieg und Frieden überhaupt die Partei auf Schacht 412. Viele sagten das hämisch, aber viele auch sagten es anerkennend. Und sehr oft war es die Anerkennung, die Hermann Fischer sich verschafft hatte und die nun mehr meinte als nur ihn.
    Dann kamen sie ans Magazin. Bierjesus, der Magaziner, fettete Pickhämmer ein. Bierjesus, der Hiesige und Geschichtenerzähler. Bierjesus, Abtrünniger der Zeugen Jehovas. Er fettete Pickhämmer ein in seinem Verschlag, soeben gelieferte, die hatten Nässe abbekommen, Rost angesetzt, das war immer so. Preßlufthämmer sollen in einem Fettfilm transportiert werden. Preßlufthämmer sollen angeliefert werden in Ölpapier und Fichtenholzkisten. Die Kisten waren ramponiert. Das Papier zerfetzt. Der Fettfilm fehlte.
    »Dene mecht ich mol«, sagte Bierjesus. Spuckte Priemsaft auf Rostspur, goß Caramba-Rostentferner auf Priemsaft. »Dene mecht ich naufgeign, do’s nimmer wissn, ob’s Männl sei od’r Weibl!«
    Hermann Fischer besah sich alles genau. Dann entschied er: »Bleib hier, hilf ihm bissel.«
    Er suchte Putzlappen und Ölkanne heraus, die gab er Christian. Er sah ihnen zu bei der Arbeit und stopfte seine Pfeife. Unterm Türstock stand er, einer, der vertraut war mit alldem. Dann nahm er seine Lampe vom Haken. Christian sah ihm nach, wie er die Strecke hinabging.
    Im Berg war es still geworden. Berg, der in Gängen Erz führt: Kobalt, Nickelblüte, Wismut, Silber, Uran. Bleiglanz und Zinkblende weiter östlich, Wolfram und Molybdänit, natürlich Zinn. Entgasungsprodukt granitischen Magmas aus der Tiefe, reichend von Oberkarbon bis ins Unterrotliegende, Granit, der aus Glimmerschiefer aufsteigt, Schwerspat und Flußspat, der farblose, der milchweiße, der graue Quarz. Wer aber Glück hat, kann vielleicht einen Topas |46| finden. Er kann den messinggelben Pyrit finden und den bleigrauen Antimonglanz, gediegen Wismut und vielleicht noch Silber. Wenn einer Glück hat.
     
    Hermann Fischer fuhr aus als einer der letzten. In langer Reihe standen die Männer an der Seilfahrt, neben Fischer stand der Radiometrist Bergschicker. »Na?« sagte Fischer. Aber der Radiometrist winkte ab. Es war nichts zu machen in diesem Monat. Der Vortrieb kam nicht, der Erzplan kam nicht, es würde keine Prämien geben, die Stimmung war miserabel.
    »Und nun noch das«, sagte Bergschicker. Er hob die Hand, die war blutverkrustet, ein schmieriger Verband ließ weiße Fingerkuppen frei. »Wühlen wie die Idioten«, sagte der Radiometrist. »Aber berissen wird nicht. Spieß, diese Arschgeige. Wo der arbeitet, da passiert immer was. Und so ’n Neuer war dabei. Wie ich reinkrieche, rutscht ’n Kaventsmann aus der Firste und zerhaut mir die Knochen.«
    »Welcher Neue?« fragte Fischer.
    »Der mit der Klampfe. Da haben wir uns ja was eingehandelt!«
    Fischer sagte

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