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Rummelplatz

Rummelplatz

Titel: Rummelplatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Bräunig
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getroffen, wenn nicht jedes den eigenen Weg ginge. Weil das Ziel nicht ein Ort ist, an einem Wege, den schon einer gegangen wäre, und hätte ein Zeichen hinterlassen: Hier ist es. Das ist überhaupt kein Ort an überhaupt keinem Weg, sondern ist das Haus, in dem wir wohnen, daran wird immer gebaut, das ist alles. Da muß nur jeder sein Stück Arbeit tun in der Arbeit aller, aber das ist leicht gesagt, wenn kein Hauswirt da ist, der sagt: Dies ist der Bauplan, dies ist die Hausordnung, |588| keiner hat so einen Hauswirt je gesehen. Dennoch behaupten die einen, es gäbe ihn, er habe dies und jenes angeordnet, und zum Beweis schlagen sie denen, die anderer Meinung sind, den Schädel ein. Und es gibt andere, die versuchen selber herauszufinden, welches der beste Bauplan wäre und welches die beste Ordnung, leichter haben die es deshalb auch nicht. Ferner gibt es Arme und Reiche in unserem Haus, Helle und Dunkle, Unterdrücker und Unterdrückte, Hungrige und Satte, Ausbeuter und Ausgebeutete, Kluge und weniger Kluge, Gemäßigte und Radikale, es gibt wenige, die haben fast alles, und viele, die haben fast nichts. Es wimmelt da nur so von Widersprüchen, und seit mehreren hundert Jahren ist Krach in unserem Haus, aus Gründen, die sind mehr oder minder bekannt, und noch immer haben wir unsere Streitigkeiten ausgetragen, indem wir uns zuletzt gegenseitig den Schädel einschlugen und die Einrichtung demolierten und beim Nachbarn Feuer legten, das ging zum Glück noch immer zu löschen, und das Haus steht noch. Aber es ist nun ein Feuerwerk erfunden, wenn das in Gang gesetzt wird, dann bleibt nichts übrig von unserem Haus und von uns allen. Das passiert uns zum ersten Mal. Und wir haben uns so gewöhnt an die bisherige Methode, Geschichte zu machen, recht zu haben, die Zukunft zu verzögern, an der Macht zu bleiben oder an die Macht zu kommen, den Krieg hinzunehmen als das letzte Argument der Politiker, der Ideologen, der Wirtschaftskönige, jedenfalls der wenigsten von uns, daran haben wir uns so schön gewöhnt. Und auf einmal steht die ganze Methode nicht mehr zur Debatte, vielmehr haben wir zu entscheiden, soll die Menschheit weiterexistieren oder nicht. Da stehen wir. Und die Klügeren unter uns sehen vielleicht: So recht idiotisch ist der Gänsemarsch: vorn der Führer und am Schluß der Geringste und dazwischen schön einer hinter dem anderen, der kann nach rechts sehen und nach links, wenn er will, aber nicht geradeaus – und die dies ernsthaft vorschlagen, meinen entweder etwas anderes, oder wissen nicht, was sie |589| tun, oder aber sie wissen es nur zu gut. Das ist unsere Lage. Und wir wissen schon, es rettet uns kein höheres Wesen, uns bleibt nur dies: Schluß machen mit der Herrschaft der Wenigen über die Vielen, das wissen wir schon. Wir sind uns nur nicht einig über die Art und Weise des Schlußmachens, das ist es. Denn wir hatten mal einen, der nicht Schluß machen wollte mit sich, und schwor, lieber werde er uns alle mitnehmen, und schlug die Tür mit einem Donnerschlag hinter sich zu, da wackelte das Haus in allen Fugen. Das haben wir als Sorte gerade noch mal so überlebt. Wenn auch nur aus einem einzigen Grund: Er hatte die richtige Technik noch nicht. Ja, aber die haben wir nun, und die Welt ist dreigeteilt, und die Bombe ist zweigeteilt, es sind dies aber gerade die beiden mächtigsten Teile, und die stehen sich am unversöhnlichsten gegenüber, so stehen wir da – und was wird nun mit der Gewalt, mit der bislang noch immer entschieden worden ist, wer recht hat, was wird nun mit der gewaltsamen Veränderung der Gesellschaft, wenn hinterher keine Gesellschaft mehr da ist, was wird nun mit der Menschheit? Wer sagt uns, daß die Kapitalisten, Kanzler und Generäle, wenn’s ans Abtreten geht, nicht gerade einen ganz und gar Verrückten am Druckknopf sitzen haben, der jagt uns lieber alle in die Luft, als daß er sich unter unserer Aufsicht einer kleinen, aber nützlichen Arbeit zuwendet? Wann je hat denn schon mal einer auf Macht und Profit verzichtet und nicht lieber ein paar Millionen über die Klinge springen lassen? Und wer garantiert uns, daß eines Tages nicht auch einer der Unsrigen verrückt wird und sagt: Die Bombe ist gerade richtig für den Klassenkampf, jetzt blasen wir den Kapitalismus endgültig und für alle Zeiten in die Luft, und wenn dabei auch, sagen wir mal, neunundneunzig Prozent der Menschheit mitverrecken, das macht nichts, ihr sollt mal sehen, was der Rest hinterher für einen

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