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Rund wie die Erde

Rund wie die Erde

Titel: Rund wie die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Demski
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unähnlichen Ebenbildern, welche bald reglos oben schwammen und abgeseiht werden konnten. Der Wein zog die Farbe aus den Beeren und wurde dunkelrot, wie Blut tropfte es aus dem über einen umgedreh
ten Schemel gespannten Tuch in die Schüssel. Das wurde dann mit Zucker dick gekocht, ein paar Tropfen davon in kaltes Wasser: Sommer mitten im Winter.
    Kinderkram, sagt Battist. Ich fahr ins Elsaß. Sie mochten ihn dort, wegen seines Namens und seines schönen, dem ihren ähnlichen Niemandslanddialekts – und weil er wunderbar Klavier spielen konnte. Wenn er gewußt hätte, was ich wußte. Nämlich, daß hinten im Bügelzimmer ein fünfundzwanzig Liter fassender Steintopf mit einem schweren Holzdeckel stand, dessen Boden gerade mit den Vorgängern der verewigten Himbeeren, nämlich Erdbeeren, bedeckt war. Es fiel niemandem auf, daß die Schicht etwas dünner geworden war, im Warten. Wenn man nämlich eine oder mehrere dieser mit Rum und Zucker konservierten, seltsam bleichen Beeren lutschte, bekam man einen angenehmen Zustand. Nein, davon wußte Battist nichts, und ich sagte es ihm auch nicht, weil die ganze Familie sicher, ja, felsenfest überzeugt war, daß ich von dem Topf keine Ahnung hätte und überdies sein Deckel für mich viel zu schwer sei. Damals erfand ich das Hebelgesetz.
    Die Erdbeeren: keine Walderdbeeren (die nimmt man für die Bowle), sondern dicke Senga Sengana, vorsichtig von ihren Strohbettchen geholt, auf die sie im Beet wegen Übergewichts zu sinken pflegen.
    Im Grund, sagt Kitty regelmäßig am Jahresende, wenn alle einen schweren, mittäglichen Dessertschwips haben, ist es egal, was man reintut. Es schmeckt alles gleich und sieht alles gleich aus. Aber so darf man eben nicht denken. Und Battist – der zwischenzeitlich wieder in seine Weinberge und zu den rheinhessischen Mädchen sowie zu seiner Frau Annchen zurückgekehrt ist, läßt durch den Mund seiner Schwester ver
künden: Vielleicht sollte man doch Schnaps draus machen! Aber was gibt es dann bei der Gans zum Nachtisch?
    Noch aber ist Sommer, die Schichten im Rumtopf wollen trotz jahreszeitlich sorgfältigen Nachfüllens nicht so wachsen, wie sie sollen, Kitty blickt nachdenklich in das Dunkel des steinernen Topfes, und ich erfinde mürrisch die Abstinenz, mindestens bis zu den Stachelbeeren. Die Stachel- sowie die Johannisbeeren kommen von den Sudetendeutschen. Die wohnen am Stadtrand, und einmal im Jahr sind wir mit denen verwandt. Sie nennen Beeren Bären, und ihr Lieblingslied handelt vom »Vuglbärbaam«, welcher bei uns Vogelbeerbaum heißt und keine Rolle spielt, weil er nichts zum Rumtopf beizutragen hat, und nie hat Kitty seine Früchte in eine Bowle getan, trotz ihrer Experimentierfreude und Durchsetzungskraft, für die eine nicht sehr beliebte, aber beharrlich alljährlich wiederholte Brombeerbowle der Beweis ist.
    Also: Es gibt rote, weiße und schwarze Johannisbeeren. Die Sudetendeutschen haben mehr rote als schwarze, was vernünftig ist, weil die schwarzen nach Katzendreck und die weißen nach gar nichts schmecken. Kitty zieht etwas an, das sie für ländlich hält (ein paspeliertes Jäckchen von Wallach in München), und die festen Ballyschuhe mit den Korkabsätzen.
    Wir nehmen unsere eigenen Schüsseln mit, sagt sie. Herr Küther bringt uns hin.
    Herr Küther ist Fahrer, und an Weihnachten schmückt er den Christbaum. Er tut sonst noch manches, aber dort, wo wir jetzt hinfahren, fährt er nicht gern hin. Da könne er dann gleich wieder den Wagen waschen, sagt er.
    Im Kofferraum klappern die Schüsseln. Du mußt nichts essen, was du nicht essen willst, sagt Kitty zu mir. In Wirklichkeit meint sie, daß sie dort nichts hinunterbringt, weil sie
glaubt, daß das Besteck nicht ordentlich gespült ist, und überhaupt, aber das sagt sie nicht.
    Das Auto wird am Abend weiß von Staub sein, und wie immer wird man nicht rausgekriegt haben, was sie denken, die Sudetendeutschen. Es sind viele Brüder, die zusammen zwei Oberkieferprothesen haben, so daß man nur mit denen reden kann, die sie grade tragen, während die anderen stumm und verhungert aussehen. Frauen haben sie aber trotzdem und viele Kinder, jedes Jahr werden die herausgesucht, die im Alter zu mir passen, damit wir uns gegenseitig anschweigen können. Sie wohnen alle nah beieinander, in kleinen, verstockt aussehenden

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