Rund wie die Erde
Häuschen, die sich in pico bello gehaltenen Gärten verkriechen.
Pico bello! sagt Kitty, während sie die Armee der Beerensträucher mustert, unter denen in graden Reihen Kohlrabi und gelbe Rüben, Erbsen und Porree wachsen und manchmal ein rot-grüner Rhabarberbusch. Pico bello! die Ordnung, also von der können sie hier noch was lernen.
Offenbar haben die Sudetendeutschen nie genug zu essen. Entweder wird grade was aufgetragen oder abgeräumt, aber immer wird drüber geredet. Nur nicht, wenn es gegessen wird. Dann ist Ruhe.
Na, dann wollen wir mal, sagt Kitty, nein, danke Fanny â nicht Fanny? Gerti?, ach so, Marga!, entschuldige, nein, jetzt keinen Kaffee. Ich kann sonst nicht schlafen. Wir pflücken lieber, wenn ihr erlaubt.
Und Herr Küther lädt schlecht gelaunt ein Säckchen Südzucker aus, als Gegenleistung. Mit kleinen Schemeln ziehen wir zwischen die Reihen der Sträucher, alsbald wird es still, denn die Sudetendeutschen trinken jetzt ihren Kaffee allein. Sie wissen, daà er ihnen nicht den Schlaf rauben wird.
Es ist still, und Kitty hat ihr ländliches Jäckchen an einen Baum gehängt. Die Nylons werden von den Stachelbeeren angegriffen und schnell zur Strecke gebracht. Die Stachelbeeren sind klein, glasiggrün und ziemlich sauer. Oder sie sind groÃ, gelb bis traubenrot, matschig unter harter Hülle und süÃ. Die kleinen sauren Teufel sind gut für Gelee. Die anderen seien eher zum so essen, sagt Kitty. Von einer Stachelbeerbowle halte sie nichts, vertraut sie mir an. Wenn die haarigen Dinger in der Flüssigkeit herumschwämmen, sagt sie, also das sähe so â ja also â jedenfalls seien es nicht die geeigneten Beeren.
Ich mag sie, weil sie ja auch das ersehnte Ende meiner Rumtopfabstinenz markieren â aber das sage ich natürlich nicht. Das einzige Geräusch, das man hört, ist zunächst das Summen, wie es in einem fast eingeschlafenen Sommergarten ganz normal ist. Das träge Flattern der Hühner in der Sandkuhle und ihr rro? rro?, das sie von Zeit zu Zeit fragend an irgendeinen Gott der Hühner richten. Kühe gibts hier keine, bloà zwei unsichtbare Schafe, von deren komplizierten und beängstigenden Krankheiten die Frauen Magda? Fanny? Fini? gern erzählen. Geschichten über kranke Tiere öffnen die Handtasche, das Herz und das Portemonnaie meiner GroÃmutter Kitty umgehend. Einmal hat sie einen absurden Preis für einen Domfalken bezahlt, der im Käfig eines finsteren Tierhändlers saÃ. Vielleicht war die Freilassung des Falken das wichtigste Ereignis in ihrem Leben.
Hier hört man bloà einen Regenpfeifer, und Kitty fragt, wie viele Schüsseln ich schon voll habe. Keiner ahnt, wie lang es dauert, eine Schüssel vollzukriegen, mit Beeren, während man so viel denken muÃ.
Ich bin noch bei der ersten, sage ich.
Ich blöderweise auch, sagt Kitty. Insgesamt dürfen wir fünf, und man hofft, daà wir bald gehen. Ich gäbe eine Million für ein Zitronenwasser. Das haben die hier aber nicht, weil sie nur Eigenes essen und trinken, und Zitronen kommen aus Afrika. Eins von den gleichaltrigen Kindern bringt einen Krug mit lila Saft. Er ist mit kaltem Wasser verdünnt und schmeckt uns beiden, wie man sich denken kann. Wie Nektar von Ambrosia, hätte mein GroÃvater gesagt.
Heidelbeer, sagt das Kind. Den haben wir noch von daheim. Kitty läÃt fast das Glas fallen, sie rechnet, zehn Jahre ist das jetzt fast her mit dem daheim von denen.
Hatten sie nichts Wichtigeres mitzunehmen wie Heidelbeersaft? fragt Kitty beim Zurückfahren den Herrn Küther, der einen miÃmutigen Kringel auf die staubige Kühlerhaube gemalt hat.
Ich weià nicht, Frau Doktor, sagt der.
Es läÃt sie gar nicht los. Das muà man sich vorstellen, den ganzen langen Weg mit all dem Dreck und diesen Schwierigkeiten! Heidelbeersaft! Der braucht dir doch bloà aufzugehen, dann kannst du alles andere auch gleich wegschmeiÃen, was du mitgeschleppt hast.
Drei Schüsseln Johannisbeeren und zwei Schüsseln Stachelbeeren, dazu zehn Jahre alte Heidelbeeren aus der entschwundenen Heimat.
Im nächsten Jahr kaufen wir das Zeug, sagt Kitty. Andererseits sieht man sie dann gar nicht mehr. Sie sollen doch nicht denken, daà wir uns für was Besseres halten. Her Küther hustet. Er hält sich ganz eindeutig für was Besseres, denn seine Ahnenreihe zeigt eine
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